Gerd Uecker
Im vergangenen Jahr gab es einige Entscheidungen zur Behandlung latenter Belastungen im Zugewinnausgleich. Bekanntlich werden latente steuerliche Belastungen im Zugewinnausgleich jedenfalls bei der Bewertung von Gegenständen des Betriebsvermögens in die Berechnung mit einbezogen. Dabei wird der fiktive Veräußerungsfall unterstellt. Es wird also davon ausgegangen, dass zum jeweiligen Stichtag eine Vollverwertung des Vermögens stattgefunden hat.
Verfolgt man diesen Gedanken konsequent weiter, müssten sämtliche mit einer gedachten Veräußerung von Gegenständen des betrieblichen und privaten Vermögens verbundenen latenten Kosten und Steuern berücksichtigt werden. Das gilt auch für vermietete Immobilien, die sich zum Stichtag noch keine zehn Jahre im Eigentum des betreffenden Ehegatten befunden haben. Verfolgt man diesen Gedanken noch weiter, so müssten zusätzlich üblicherweise mit einer Veräußerung verbundenen Kosten ebenfalls in die Berechnung einbezogen werden, dazu zählt auch eine möglicherweise zu entrichtende Vorfälligkeitsentschädigung. Zur Behandlung von Vorfälligkeitsentschädigungen gibt es eine Entscheidung des OLG Köln (10 UF 114/19 vom 23.6.2020) und eine Entscheidung vom OLG Brandenburg (FamRZ 2020, 741). Während das OLG Brandenburg es offengelassen hat, ob eine Vorfälligkeitsentschädigung in die Berechnung einzubeziehen ist, hat das OLG Köln die Einbeziehung der Vorfälligkeitsentschädigung abgelehnt.
Auch andere Oberlandesgerichte, beispielsweise das OLG Hamburg, lehnen die Einbeziehung einer latenten Vorfälligkeitsentschädigung in die Zugewinnausgleichsberechnung ab. Wünschenswert wäre es, wenn demnächst über diese Frage eine höchstrichterliche Entscheidung ergehen könnte.
Seit der Entscheidung des BGH vom 14.11.1973 (IV ZR 147/72) wenden wir den Verbraucherpreisindex zur Bemessung der Kaufkraftentwertung an, um zu vermeiden, dass sich die Kaufkraftentwertung auf die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung auswirkt. Der Verbraucherpreisindex orientiert sich an einem gewichteten Warenkorb. Ungeklärt ist die Situation, wenn einzelne Teile des Warenkorbs eine vom Verbraucherpreisindex abweichende Entwicklung nehmen, wie dies bei Immobilienpreisen in den letzten Jahren geschehen ist. Bekanntlich hat sich der Verbraucherpreisindex in den letzten zehn Jahren so gut wie gar nicht verändert. Für Immobilienpreise gilt das Gegenteil. Ein schlichter Vergleich der statistischen Daten des Bundesamtes für Statistik macht die Unterschiede deutlich. Die Immobilienpreise haben sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Dies führt dazu, dass Immobilien häufig nicht mehr gehalten werden können, wenn es zur Durchführung des Zugewinnausgleichs kommt, obwohl es sich um ererbte oder geschenkte Immobilien handelt. Beispielsfälle sind uns allen hinlänglich bekannt. Der typische Problemfall stellt sich wie folgt dar:
Die Ehegatten leben in durchschnittlichen oder möglicherweise unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen. Sie heiraten in 2008. Im Zeitpunkt der Eheschließung oder kurz danach erhält ein Ehegatte von seinen Eltern unentgeltlich das Eigentum an einem unbelasteten Reihenhaus. Vermögen wird von den Ehegatten während der Ehezeit nicht gebildet. Die Ehe wird in 2021 geschieden. Der Wert des Reihenhauses hat sich von 2008 bis 2021 verdoppelt. Der Ehegatte, der Eigentümer des Reihenhausgrundstückes ist, ist nicht dazu in der Lage, ohne Veräußerung des Reihenhauses den Zugewinnausgleich zu zahlen.
Vielleicht empfiehlt es sich, aufgrund der ungewöhnlichen Unterschiede zwischen Veränderung des Verbraucherpreisindexes einerseits und Steigerung der Immobilienpreise andererseits, in Fällen dieser Art auf andere Indizes des statistischen Bundesamtes zurückzugreifen.
Ich wünsche Ihnen allen eine besinnliche Weihnachtszeit und ein erfolgreiches und hoffentlich gesundes Jahr 2022.
Autor: Gerd Uecker
Gerd Uecker, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Hamburg
FF 12/2021, S. 469