Das Präfix "Neben" drückt eine Unterordnung oder Gleichstellung aus. Es wäre daher verfehlt, das "Neben"güterrecht als etwas anzusehen, das in einer Weise "neben" dem (eigentlichen) Güterrecht steht, die ihm einen anderen, vielleicht sogar konträren materiellen Gehalt zuspricht als dem "Güterrecht" selbst. Richtig wäre daher die Bezeichnung "nebengesetzliches Güterrecht", die aber nicht gebräuchlich und auch zu umständlich ist.
Einen weiteren Erkenntnisgewinn verspicht die historische Betrachtung. Sie öffnet den Blick dafür, wie und wann es zu diesem Richterrecht gekommen ist. Allerdings ist das ein Thema, welches den Rahmen dieses Beitrags sprengt. Ich gestatte mir daher, auf eigene in Buchform erschienene Veröffentlichungen zu verweisen und die wichtigsten Feststellungen hier zu zitieren. Güterrecht als Scheidungsfolgenrecht und sog. Nebengüterrecht hängen enger zusammen als gemeinhin bekannt ist, und das kam so:
Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland normierte in Art. 3 Abs. 1 die Gleichberechtigung von Mann und Frau. "Die Fülle" – zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch bestehender – "gleichberechtigungswidriger Vorschriften insbesondere im bürgerlichen Recht machte es erforderlich, dem Gesetzgeber eine Übergangs- und Anpassungsfrist einzuräumen, die mit dem 31.3.1953 ablief (Art. 117 GG). Da Regierung, Ausschüsse und Parlament die Umstellung der gleichberechtigungswidrigen Rechtsvorschriften nicht rechtzeitig begannen, sie jedenfalls nicht so forcierten, wie es zur Einhaltung der Frist erforderlich gewesen wäre, war deren Überschreitung frühzeitig absehbar. Damit stand gleichzeitig fest, dass ab dem 1.4.1953 für einen … erheblichen Zeitraum kein gesetzliches Güterrecht bestehen würde, da der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung nunmehr verfassungswidrig, aber noch nicht durch eine Nachfolgeregelung abgelöst war."
Dies erkannte auch der Bundesgerichtshof, der am 20.12.1952 eine grundstürzende Entscheidung verkündete und das neue nebengüterrechtliche Zeitalter einleitete.
I. Die "historischen" höchstrichterlichen Urteile (Leitentscheidungen)
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RGZ 158, 380 vom 1.12.1938 (Stand bis 19.12.1952) |
Sachverhalt:
M, Arzt, war Inhaber eines medizinischen Instituts, welches aus gemeinsamen Mitteln, also auch aus Mitteln von F, errichtet und mithilfe der Mitarbeit von F während der gesamten Ehe betrieben wurde.
Entscheidung:
Bei Überschreitung des Pflichtenkreises des § 1356 BGB (überobligationsmäßiger Einsatz eines zugunsten des anderen Ehegatten) kann, muss aber nicht zwingend eine konkludente Ehegatteninnengesellschaft bestehen. Diese ist im Zweifel aus folgenden Gründen abzulehnen: es sei möglich, dass F die Absicht, entgeltlich tätig zu sein, gefehlt habe, etwa, weil sie M dessen Arbeit aus idealen Gründen erleichtern wollte oder weil ihr ein Ausgleich schon durch die Erhöhung des Lebensstandards oder über das erhöhte Erbteil zufalle.
Neuerung:
Konkludente Ehegatteninnengesellschaft möglich, aber: im Zweifel ist nicht von einer solchen auszugehen. Zweifel hieß: der benachteiligte Ehegatte kann sie nicht beweisen.
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BGHZ 8, 249 vom 20.12.1952 |
Sachverhalt:
M hatte Gaststätten gepachtet, in welchen F überobligationsmäßig (§ 1356 BGB) mitarbeitete.
Entscheidung:
Aufgrund des Wandels der allgemeinen Auffassung sei nunmehr im Zweifel von einer Ehegatteninnengesellschaft auszugehen. F sei nicht (mehr) der unbezahlte Dienstbote von M. Sie sei nicht entsprechend ihrer Arbeitsleistung zu entlohnen, sondern an den wirtschaftlichen Vorteilen (und Nachteilen) zu beteiligen.
Neuerung:
Im Zweifel ist von einer Ehegatteninnengesellschaft auszugehen. (Umkehr der Beweislast)
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BGH FamRZ 1972, 201 vom 11.1.1972 |
Sachverhalt:
M hatte F den Kauf von Wertpapieren finanziert.
Entscheidung:
Dient eine Zuwendung der Alterssicherung, kann die Vorste...