In Kindesschutzverfahren nach den §§ 1666, 1666a BGB ist das Jugendamt Muss-Beteiligter (§ 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Wie wichtig dem Gesetzgeber diese Rechtsstellung des Jugendamts im Kindesschutzverfahren ist, lässt sich daraus schließen, dass er das FamFG kurze Zeit nach dessen Inkrafttreten (1.9.2009) geändert und die Bestimmung des § 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG (mit Gesetz vom 5.12.2012) neu aufgenommen hat: Die Beteiligung des Jugendamts in Kindesschutzverfahren ist – so der Änderungsgesetzentwurf der Bundesregierung – "immer notwendig". Freilich greift diese Muss-Beteiligung nicht in anderen Kindesschutzverfahren, etwa im Verfahren nach § 1684 Abs. 4 BGB. In diesen wie in allen Elternkonfliktverfahren ist das Jugendamt nur auf seinen Antrag hin zu beteiligen und hat im Übrigen nur die Stellung des "anzuhörenden Jugendamts" (§ 162 Abs. 2 Satz 2 i.V.m Abs. 1 FamFG).
Die Rechtsstellung als Muss-Beteiligter bringt für das Jugendamt in Kindesschutzverfahren eine Reihe von Rechten mit sich, die die Möglichkeit eröffnen, auf einen beschleunigten Verfahrensverlauf und insbesondere auf die Gestaltung der richterlichen Amtsermittlung (mit-)steuernden Einfluss zu nehmen. Dazu gehören etwa das Recht auf Akteneinsicht nach § 13 Abs. 1 FamFG (durch Überlassung in die eigenen Amtsräume, § 13 Abs. 4 Satz 1 FamFG); die Gelegenheit, zum Ergebnis einer förmlichen Beweisaufnahme (insbesondere zu einem schriftlichen Sachverständigengutachten) Stellung zu nehmen (§ 30 Abs. 4 FamFG); das Recht, Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit anzubringen (§§ 6 FamFG, 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. 406 ZPO); das Recht, Beschleunigungsrüge zu erheben und Beschleunigungsbeschwerde einzulegen (§§ 155b, 155c FamFG).
Außerdem kann das Jugendamt in Kindesschutzverfahren – de jure unabhängig von seiner Muss-Beteiligung, aber de facto aus dem Geist der Beteiligtenstellung heraus – zahlreiche förderliche Anregungen anbringen: auf Möglichkeiten der zügigen, effizienten und ergebnisorientierten Ermittlung im Freibeweisverfahren (etwa die informelle persönliche, telefonische oder schriftliche Befragung einer Auskunftsperson oder die Beiziehung von Akten) hinzuweisen und auf diese Weise die Einholung eines umfassenden und viel Zeit in Anspruch nehmenden Sachverständigengutachtens überflüssig zu machen; einen bestimmten Sachverständigen auszuwählen; vor Erlass des Beweisbeschlusses zu den Beweisfragen Stellung zu nehmen; den Sachverständigen sein schriftliches Gutachten in einem Termin mündlich erläutern zu lassen (§§ 30 Abs. 1 FamFG, 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Nach der subjektiven Einschätzung des Verfassers aufgrund langjähriger familienrichterlicher Erfahrung hat sich die Erwartung des Gesetzgebers, die Jugendämter würden als Muss-Beteiligte tatsächlich Einfluss auf Ablauf und Gestaltung des Kindesschutzverfahrens Einfluss nehmen – nicht erfüllt. Zwar fehlen (idealerweise auf einer Auswertung familiengerichtlicher Kindesschutz-Verfahrensakten gestützte) empirische Erkenntnisse. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Jugendämter von den oben geschilderten Rechten und Möglichkeiten, auf einen beschleunigten Verfahrensverlauf und namentlich die Gestaltung der richterlichen Amtsermittlung steuernden Einfluss zu nehmen, äußerst selten bis nie Gebrauch machen. Bei den Fachkräften der Jugendämter dürfte in der Regel schon kein Wissen um diese Möglichkeiten vorhanden sein. Hinzu kommt, dass die Fachkräfte des Jugendamts mehrheitlich keine Übung darin haben dürften, gegen die gängige Praxis der jeweiligen Richterin eine bestimmte Verfahrensweise einzufordern. Vielmehr dürfte die Haltung vorherrschend sein, es dem jeweiligen Richter recht machen zu wollen, und zwar in der (verfehlten) Annahme, auf diese Weise das Beste an Kindesschutz für das jeweils betroffene Kind erreichen zu können.
Dem steht freilich in rechtlicher Hinsicht die Verpflichtung des Jugendamts entgegen, von den ihm mit der Beteiligtenstellung vom Gesetzgeber eingeräumten Rechten nach pflichtgemäßem Ermessen Gebrauch zu machen. Die Behörde muss das ihr eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausüben und darf entsprechende Überlegungen – gleich aus welchem Grund – nicht unterlassen. Die jugendamtliche Praxis in Bezug auf § 162 Abs. 2 Satz 1 FamFG dürfte deshalb weitgehend auf einen Ermessensnichtgebrauch hinauslaufen, der nämlich dann anzunehmen ist, wenn die Behörde einen ihr durch das Gesetz vorgegebenen Ermessensspielraum überhaupt nicht erkennt und deshalb auch keine Überlegungen hinsichtlich des ihr zustehenden Spielraums anstellt.
Gleiches – in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht – gilt für das dem Jugendamt vom Gesetzgeber – freilich in Kindesschutzverfahren und Elternkonfliktverfahren gleichermaßen, nämlich in allen die Person des Kindes betreffenden Kindschaftssachen (§ 162 Abs. 3 Satz 2 FamFG) – eingeräumte Beschwerderecht.