Die Ungewissheit über die Auswirkungen eines Gesetzes schließt die Befugnis des Gesetzgebers, ein Gesetz zu erlassen, nicht aus, auch wenn dieses von großer Tragweite ist. Andererseits begründet eine solche Ungewissheit nicht schon als solche einen verfassungsgerichtlicher Kontrolle nicht zugänglichen Prognosespielraum des Gesetzgebers. Prognosen enthalten ein Wahrscheinlichkeitsurteil, dessen Grundlagen ausgewiesen werden können und müssen; diese sind einer Beurteilung nicht entzogen. Im Einzelnen hängt die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers von Faktoren verschiedener Art ab, im Besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter.
Dem Gesetzgeber wie der vollziehenden Gewalt kommt bei der Erfüllung von Schutzpflichten ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsbereich zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Diese weite Gestaltungsfreiheit kann von den Gerichten je nach Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden und der Bedeutung der maßgeblichen Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist im Blick auf diese Gestaltungsfreiheit nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutze des Grundrechts trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Nur unter ganz besonderen Umständen kann sich diese Gestaltungsfreiheit in der Weise verengen, dass allein durch eine bestimmte Maßnahme der Schutzpflicht Genüge getan werden kann.
Das normative Spannungsverhältnis zwischen den Verfassungsgütern unter Berücksichtigung des Toleranzgebots aufzulösen, obliegt zuvörderst dem demokratischen Gesetzgeber, der im öffentlichen Willensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Kompromiss zu finden hat. Die einschlägigen Normen des Grundgesetzes sind zusammen zu sehen, ihre Interpretation und ihr Wirkungsbereich sind aufeinander abzustimmen. Der Staat muss aber ein angemessenes Verhältnis zu dem Gewicht und der Bedeutung des jeweiligen Grundrechts und der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits wahren. Die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Entscheidung unterliegt einer eingehenden gerichtlichen Kontrolle. Für die Beurteilung der tatsächlichen Gegebenheiten und Entwicklungen, von der abhängt, ob Werte von Verfassungsrang eine Regelung rechtfertigen, verfügt er allerdings weiterhin über eine Einschätzungsprärogative. Der Weite dieses Einschätzungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Aufstellung und normative Umsetzung eines Schutzkonzepts Sache des Gesetzgebers ist, dem grundsätzlich auch dann ein Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zukommt, wenn er verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen. Der Umfang der vom Parlament zu treffenden Maßnahmen hängt von Faktoren verschiedener Art ab, im Besonderen von der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich – zumal über künftige Entwicklungen wie die Auswirkungen einer Norm – ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter.
Gleiches gilt, wenn die Zivilgerichte mangels einer Entscheidung des Gesetzgebers im Wege der Rechtsfortbildung oder der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe die Schutzpflicht wahrnehmen oder diese Pflicht von einem Organ der Exekutive zu erfüllen ist. Nur ausnahmsweise lassen sich aus den Grundrechten konkrete Regelungspflichten ableiten. Gestaltungsspielräume bestehen vor allem dort, wo es um die Berücksichtigung widerstreitender Grundrechte geht. Das gilt auch dann, wenn der Schutz einer grundrechtlichen Position zwangsläufig die Beeinträchtigung des Grundrechts einer anderen Person zur Folge hat, weil die Abwägung in erster Linie den jeweils zuständigen staatlichen Organen zukommt.