Überträgt man die vorgenannten Grundsätze auf die vom Bundesverfassungsgericht zur Intersexualität getroffene Entscheidung (also zum Geschlecht), ist daran zu zweifeln, ob es seine Grundsätze zutreffend auf den zu entscheidenden Fall angewandt hat.
1. Sachverhalt
Die antragstellende Person begehrte die Änderung ihres Geburtseintrags dahin, dass ihr Geschlecht als "inter" oder "divers" angegeben wird.
Zur Begründung hatte die 1989 geborene und als Mädchen in das Geburtenregister eingetragene antragstellende Person eine Chromosomenanalyse vorgelegt. Danach verfügt sie über einen numerisch auffälligen Chromosomensatz mit einem X-Chromosom und einem fehlenden zweiten Gonosom. Sie sei weder Frau noch Mann.
Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen hat sich die antragstellende Person mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde gewandt. Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen: Das Oberlandesgericht habe zwar aus seiner Sicht folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, ob die antragstellende Person tatsächlich intersexuell ist. Für die Rechtsbeschwerde sei ihr entsprechender Vortrag aber als zutreffend zu unterstellen.
2. Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung damit begründet, es komme auch keine (verfassungskonforme) Auslegung dahin in Betracht, dass das Tatbestandsmerkmal Geschlecht in § 21 Abs. 1 Nr. 3 PStG nicht nur das weibliche oder männliche, sondern auch ein drittes Geschlecht wie etwa "inter" oder "divers" umfasse. Das folge aus einer systematischen Auslegung der Norm. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 PStG sei Personenstand die sich aus den Merkmalen des Familienrechts ergebende Stellung einer Person innerhalb der Rechtsordnung. Eintragungen in Personenstandsregistern hätten deshalb lediglich eine dienende Funktion; sie enthielten Angaben, die nach den Regeln des materiellen Familienrechts grundlegende Bedeutung für die persönliche Rechtsstellung besäßen. Die Rechtsordnung, namentlich das Familienrecht, gehe aber von einem binären Geschlechtersystem aus. Etwas anderes folge auch nicht aus § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14.8.2006. Zwar solle die Norm auch "zwischengeschlechtliche Menschen" vor Benachteiligungen schützen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung aber auch ergebe, habe der Gesetzgeber mit ihr nicht etwa ein neues Geschlecht bilden, sondern die betroffenen Menschen wegen ihrer "sexuellen Identität" schützen wollen.
Der Gesetzgeber habe mit der Neuregelung des § 22 Abs. 3 PStG dem Umstand Rechnung getragen, dass es Menschen gebe, die sich den bekannten Geschlechtern nicht zuordnen ließen. Zudem verweist der Bundesgerichtshof auf eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und vom Bundesministerium für Gesundheit in Auftrag gegebenen Stellungnahme des Deutschen Ethikrats vom 14.2.2012, der der Gesetzgeber jedenfalls im Ansatz gefolgt sei. Der Gesetzgeber habe auch mit § 22 Abs. 3 PStG kein weiteres Geschlecht geschaffen. Dafür fehle es im Übrigen an entsprechenden materiell-rechtlichen Regelungen wie etwa zur Abstammung und Partnerschaft.
Den Gesetzgebungsmaterialien lasse sich entnehmen, dass die Schaffung eines weiteren Geschlechts auch nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche. Die Bundesregierung, deren Gesetzesentwurf zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften ursprünglich keine Regelungen zur Intersexualität enthalten habe, habe auf eine entsprechende Initiative des Bundesrats erwidert, eine Lösung der komplexen Probleme insbesondere unter Berücksichtigung medizinischer Aspekte könne in diesem schon weit fortgeschrittenen Gesetzgebungsverfahren nicht kurzfristig gefunden werden. Vor einer Neuregelung wären umfassende Anhörungen von Betroffenen und Sachverständigen durchzuführen. Dabei müsse auch geprüft werden, welche Änderungen in anderen Gesetzen erforderlich wären. Schließlich habe die jetzige Fassung des § 22 Abs. 3 PStG durch die Beschlussempfehlung des Innenausschusses Eingang in das Gesetz gefunden. Dazu heiße es lediglich, dass sich § 22 Abs. 3 PStG der Problemstellungen des deutschen Ethikrats zum Thema "Intersexualität" annehme und klarstelle, dass die Geschlechtsangabe im Geburtseintrag offenbleibe, wenn diese nicht zweifelsfrei feststehe.
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sah auch keine Veranlassung, die Sache dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG vorzulegen. Er halte die §§ 21 Abs. 1 Nr. 3, 22 Abs. 3 PStG, auf die es bei seiner Entscheidung allein maßgeblich ankomme, nicht für verfassungswidrig. Die Frage, ob die früher bestehende Notwendigkeit, entweder als männlich oder als weiblich im Geburtenregister eingetragen zu werden, Intersexuelle in ihren Grundrechten verletze, stelle sich nicht mehr. Denn die antragstellende Person könne gemäß §§ 48 Abs. 1, 47 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 22 Abs. 3 PStG erreichen, dass die Angabe des Geschlechts ("Mädchen") nachträglich aus dem Geburtenregister gelöscht werde. Weil das materielle Familie...