a) Zu verbliebenen Ausgleichsproblemen
Das am 1.9.2009 in Kraft getretene (neue) Gesetz über den Versorgungsausgleich vom 3.9.2009 (VersAusglG, BGBl I 700 ff.) hat aber an der vorstehend beschriebenen Auswirkung im Kern nichts geändert. Auch der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich neuer Prägung allein kann dem Berechtigten nach wie vor einen merklich höheren Lebensstandard verschaffen, als er ihn hätte, wenn er unverheiratet geblieben wäre. Denn auch nach neuem Recht "kann es künftig in wenigen Einzelfällen zu atypisch hohen Versorgungen kommen, die über eine Beitragszahlung nicht zu erreichen gewesen wären". Dessen ungeachtet stellt derselbe Gesetzgeber aber fest, das Scheidungsrecht "muss auf den Ausgleich von Nachteilen gerichtet sein, die mit dem Ende der Ehe als Versorgungsgemeinschaft verbunden sind". Eine Ausgleichsobergrenze oder eine gezielte Vorgabe, den Versorgungsausgleich auf den Ausgleich von Versorgungs-Nachteilen zu begrenzen, enthält das Gesetz aber nicht.
Auch nach neuem Recht erhält der eine geschiedene Ehegatte ein Alterseinkommen, das zwar auch auf seinem vorangegangenen Erwerbseinkommen basiert, aber über einen Ausgleich für etwa entgangene oder geringere Versorgungsanrechte während der Ehezeit noch weit hinausgehen kann. Der andere Ehegatte erhält demgegenüber nur ein Alterseinkommen auf der Basis seines um den nun gegebenenfalls sehr viel weitreichenderen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich neuer Prägung gekürzten Erwerbseinkommens.
b) Zur vergleichenden Betrachtung von Unterhalt und Versorgungsausgleich
Unter Berücksichtigung der neueren Entwicklung im nachehelichen Unterhaltsrecht können wir also feststellen:
Während des Erwerbslebens berücksichtigt und respektiert das Unterhaltsrecht jetzt – nach einer Übergangszeit – die auf unterschiedlicher Ausbildung und Berufswahl vor der Eheschließung basierenden unterschiedlichen Einkünfte und Lebensstandards der geschiedenen Ehegatten. Nach dem Erwerbsleben soll das dann auf einmal nicht mehr gelten. Der geschiedene Ehegatte mit dem höheren früheren Erwerbseinkommen und mit der (ursprünglich) besseren Altersvorsorge soll dem anderen viele Jahre nach dem Ende der Ehezeit – zwischen der Scheidung und dem Eintritt des Versorgungsfalls liegen oft 20 bis 30 Jahre – und lange Zeit nach dem Ende seiner Unterhaltspflicht plötzlich mit einem Alterseinkommen vorlieb nehmen, dessen Maß die Höhe seines früheren Erwerbseinkommens u.U. kaum mehr erahnen lässt. Damit findet nach dem Erwerbsleben, im Alter, viele Jahre nach dem Ende der Ehezeit, dann doch wieder ein teilweiser, gegebenenfalls aber sehr einschneidender Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Lebensstandards der beiden geschiedenen Ehegatten statt.
Der Ehegatte mit dem vormals höheren Erwerbseinkommen, das ihm seit dem Erlöschen seiner Unterhaltspflicht wieder uneingeschränkt zur persönlichen Verfügung stand, muss nun nicht nur die mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben allgemein verbundene spürbare Absenkung seines Lebensstandards hinnehmen, sondern noch eine weit darüber hinausgehende zusätzliche Einbuße verkraften. Demgegenüber kann der andere geschiedene Ehegatte ein Alterseinkommen erhalten, das sein früheres Vollzeit-Erwerbseinkommen noch deutlich übersteigt.
Ein derartiger "Ausgleich" der beiden Lebensstandards soll aber nach der Neuregelung des § 1578b BGB und der darauf gründenden Rechtsprechung zum nachehelichen Aufstockungsunterhalt schon wenige Jahre nach dem Ehezeitende nicht (mehr) stattfinden. Dabei sind die Funktionen von Unterhalt und Versorgungsausgleich ja nicht so unterschiedlich. Die Funktion des Versorgungsausgleichs ist nach Auffassung des zeitgenössischen Gesetzgebers "eher unterhaltsrechtlich geprägt", die schuldrechtliche Ausgleichsrente des alten Rechts hat nach der Rechtsprechung "unterhaltsähnlichen Charakter". In Anlehnung an das nacheheliche Unterhaltsrecht erscheint daher eine regelmäßige Begrenzung des Versorgungsausgleichs auf den Ausgleich ehebedingter Versorgungs-Nachteile geboten.