Zu Aufstockungsunterhalt und Versorgungsausgleich
1
Die heute geltenden Regelungen über den nachehelichen Ehegattenunterhalt und den Versorgungsausgleich gehen im Kern auf das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976 (1. EheRG, BGBl I 1421 ff.) zurück. In dem vorangegangenen Gesetzgebungsverfahren haben damalige frauenpolitische Forderungen und Erwägungen eine große Rolle gespielt. Besonnene Hinweise und abgewogene Argumente, die diesem Trend nicht ganz entsprachen, hatten es vielfach schwer, gehört und beachtet zu werden.
2
Die damals in Kraft getretenen Regelungen sind seitdem mehrfach nachgebessert, geändert und teilweise durch Neuregelungen ersetzt worden. Manche Schwachstellen und Unzuträglichkeiten in der Rechtsanwendung sind dadurch beseitigt worden, etliche sind jedoch verblieben. Einige davon werden nachfolgend dargestellt und erörtert.
I. Zum nachehelichen Ehegattenunterhalt
1. Zum 1. EheRG von 1976
Die im 1. EheRG festgelegten Unterhaltstatbestände sind das Ergebnis eines Kompromisses zwischen der damaligen sozial-liberalen Regierungskoalition auf Bundesebene und dem unions-dominierten Bundesrat im Gesetzgebungsverfahren. Die Legitimation der nachehelichen Unterhaltstatbestände mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB) wird bis heute kontrovers beurteilt, teils auch völlig infrage gestellt – die rechtsethische Rechtfertigung mithin schlechthin verneint.
Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB), der nachfolgend große Bedeutung erlangt hat, führte damals unverständlicherweise nur ein Schattendasein. Alle amtlichen Erläuterungen haben ihn verschwiegen, sodass manche Juristen zunächst geneigt waren, an ein Redaktionsversehen zu glauben. Als man feststellte, dass keineswegs ein Redaktionsversehen vorlag, plädierten viele umgehend und dringend für eine "Entschärfung" dieser Vorschrift. Es sei nicht zu begreifen, warum etwa die – gutverdienende – Ärztin nach der Scheidung dem Lehrer, mit dem sie verheiratet war, einen Einkommensausgleich zahlen soll oder der Ehegatte seinem bisherigen Partner, der ihm die Ehe verleidet oder "aufgekündigt" hatte. Eine "Entschärfung" des § 1573 Abs. 2 BGB fand aber nicht statt, im Gegenteil: Die Rechtsprechung verstand diese Vorschrift i.V.m. § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB als "Lebensstandardgarantie", die für Jahrzehnte zum Fetisch des nachehelichen Unterhaltsrechts avancierte. Scharfsinnige und -züngige Beobachter sprachen schon frühzeitig von einer "Unterhaltsknechtschaft". Dabei war der ursprüngliche Ansatz des Gesetzgebers noch ein anderer: Das Unterhaltsrecht solle ehebedingter Unterhaltsbedürftigkeit abhelfen, also – doch wohl in erster Linie – ehebedingte Nachteile ausgleichen.
2. Zur Rechtsentwicklung bis 2006
Das durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts veranlasste Unterhaltsänderungsgesetz vom 20.2.1986 (BGBl I 301 ff.), das doch immerhin das Anliegen verfolgte, Unterhaltspflichten zu reduzieren, brachte insoweit keine wesentliche Änderung. Die (neu) eingefügten Billigkeitsklauseln der §§ 1573 Abs. 5, 1578 Abs. 1 S. 2 und 1579 Nrn. 4–6 BGB sollten zwar der Kritik an der u.U. lebenslänglichen Lebensstandardgarantie in begrenztem Umfang Rechnung tragen, sie haben aber fast 20 Jahre lang unverständlicherweise nur wenig Bedeutung erlangt und eher ein Schattendasein geführt.
Stattdessen wurde lange Zeit um die richtige Berechnung des Aufstockungsunterhalts gerungen. Waren die ehelichen Lebensverhältnisse durch eine sog. Doppelverdienerehe geprägt, wandte die Rechtsprechung die Differenzmethode an. Hatte nur das Einkommen des Unterhaltspflichtigen die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt, legte die Rechtsprechung für längere Zeit die Anrechnungs- bzw. Abzugsmethode zu Grunde. Letztere führte für den in der Ehe alleinverdiendenden unterhaltspflichtigen Ehegatten in der Regel zu einem etwas günstigeren Ergebnis als die Differenzmethode. Instanzgerichte, die diese unterschiedliche Berechnung innerlich ablehnten, behalfen sich gelegentlich dadurch, dass sie den Trennungszeitpunkt in manipulativer Weise auf einen späteren Zeitpunkt verlegten, zu dem der während der Ehe nicht berufstätige Ehegatte dann (erstmals) einer (nachehelichen) Berufstätigkeit nachging. So war die Differenzmethode (revisionsfest) anwendbar.
Seit 2001 wendet der BGH