"Abschreibung" der Forderung durch Zeitablauf – feste oder flexible Obergrenze?
Ehebezogene Zuwendungen erfolgen auf der Geschäftsgrundlage des Fortbestandes der intakten Ehe. Hätte der benachteiligte (zuwendende) Ehegatte gewusst, dass die Ehe scheitern wird, hätte er die Zuwendung nicht vorgenommen. Im Zeitraum zwischen Zuwendung und Scheitern der Ehe hatte die Geschäftsgrundlage Bestand, was zur Reduzierung des Ausgleichsbetrages führt. Vergleichbar einem Wirtschaftsgut, welches mit der Zeit an Wert verliert und abgeschrieben wird, verliert auch der aus der Zuwendung resultierende Ausgleichsanspruch an Wert. Der Betrag, welcher dem Berechtigten in Euro zusteht, schmilzt also mit der Zeit von selbst ab. Von hoher praktischer Relevanz (an erster Stelle für die beratende Anwaltschaft, Gefahr des Kostenregresses bei überhöhtem Antrag!) ist die Bemessung des Minderungsbetrages. Nach der Beschlussempfehlung des 10. Deutschen Familiengerichtstages 2011 sollte der Abschlag so bemessen werden, dass die Zeit von der Zuwendung bis zur Trennung mit der Zeit von der Zuwendung bis zum Ende der fiktiven Ehedauer (= Ehe ohne Trennung, also Tod des erstversterbenden Ehegatten) ins Verhältnis gesetzt und der Forderungsbetrag prozentual um den Anteil des ersten Zeitraums am zweiten Zeitraum gekürzt wird. Hieran hat sich ein Meinungsstreit zwischen Wever und Kogel entzündet:
Wever plädiert (in Anlehnung an Gutdeutsch) für die vom Deutschen Familiengerichtstag vorgeschlagene – und von ihm entwickelte – Formel mit der Maßgabe, dass zur Berechnung der fiktiven Ehedauer alternativ – anstatt des statistischen Sterbedatums des fiktiv erstversterbenden Ehegatten – die versicherungsmathematische verbundene Lebenserwartung herangezogen werden kann, weil nicht immer gerade derjenige Ehegatte mit der statistisch geringeren Lebenserwartung auch wirklich zuerst verstirbt.
Kogel plädiert demgegenüber lediglich für eine Obergrenze von nunmehr 20 Jahren, schließt sich damit anderen Autoren an und stimmt mit dem Oberlandesgericht Frankfurt (betreffend die analoge Problematik bei den Schwiegerelternzuwendungen) überein.
Beiden Methoden ist gemeinsam, es ja geradezu ihr Zweck, rechtssicher festzulegen, nicht nur dass, sondern ab wann genau ein Ausgleich einer ehebezogenen Zuwendung nicht (mehr) verlangt werden kann. Wever geht darüber hinaus und gibt eine sichere Handhabe für die Zeit zwischen Zuwendung und – bei ihm: flexiblem – Enddatum, zu welchem der Anspruch aufgrund Wertverlustes durch Zeitablauf quasi angeschrieben ist. Er weist zutreffend darauf hin, dass dieser Zeitraum ansonsten dem Rechtsgefühl des Richters überantwortet wird. Bei einer bloßen Obergrenze mag dem einen Richter ein Ausgleich noch als billig und gerecht erscheinen, wo er von einem anderen bereits versagt wird. Eine Verknüpfung beider Auffassungen – Berechnung mit der "Wever-Formel" bei gleichzeitiger absoluter Obergrenze – erscheint denkbar. Auch ist der umgekehrte – sicher seltene, aber mögliche – Fall einer Zuwendung erst nach Erreichen der statistischen Lebenserwartung des Schenkers zu bedenken. Er ist mit der Wever-Formel notwendigerweise nicht mehr zu erfassen, die bei einer Zuwendung am statistischen Sterbedatum und danach zu einem Anspruch von 0 EUR führt.
Für die Anwaltschaft ist darauf hinzuweisen, dass die Anspruchsreduzierung durch Zeitablauf noch nicht sicher geklärt ist. Alle genannten Methoden erscheinen vertretbar, jedoch ist eine schriftsätzliche Begründung zu empfehlen.