UVG § 7 Abs. 1, 4; FamFG § 120 Abs. 1; ZPO §§ 727, 750; BGB § 1629 Abs. 3 S. 1

Leitsatz

Ein vom Land gemäß § 7 Abs. 4 UVG erstrittener Unterhaltstitel kann nach Einstellung der Vorschussleistungen im Wege einer analogen Anwendung des § 727 ZPO auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden. (Rn 11)

BGH, Beschl. v. 23.9.2015 – XII ZB 62/14 (OLG Karlsruhe, AG Mosbach)

1 Gründe:

[1] I. Der Antragsgegner ist der unterhaltspflichtige Vater der Antragstellerin. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Erteilung einer zweiten vollstreckbaren Teilausfertigung eines vom Land Baden-Württemberg gegen ihn erstrittenen Urteils, durch das er verpflichtet wurde, für die am 7.5.2005 geborene Antragstellerin Unterhalt i.H.v. monatlich 100 % des jeweiligen Regelbetrags abzüglich des jeweils geltenden Kindergeldanteils ab dem 1.7.2009 zu zahlen. Das Land erbrachte an die Antragstellerin für 72 Monate Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz und stellte seine Leistungen im Juli 2012 ein.

[2] Nachdem ihr Antrag auf Neutitulierung des geschuldeten Unterhalts vom Amtsgericht wegen Fehlens des Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen worden war, hat die Antragstellerin im Dezember 2012 beantragt, das vorliegende Urteil auf sie umzuschreiben und ihr eine vollstreckbare zweite Teilausfertigung des umgeschriebenen Titels zu erteilen.

[3] Das Amtsgericht hat der Antragstellerin eine zweite vollstreckbare Teilausfertigung mit Rechtsnachfolgeklausel erteilt. Die hiergegen gerichtete Klauselerinnerung des Antragsgegners ist ebenso wie seine anschließende sofortige Beschwerde ohne Erfolg geblieben.

[4] Dagegen wendet sich der Antragsgegner mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

[5] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[6] 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Titelumschreibung nach § 727 ZPO auch dann vorlägen, wenn das Land als Verfahrensstandschafter eine Titulierung des künftigen Unterhaltsanspruchs herbeigeführt habe und aus diesem Urteil wegen endgültiger Einstellung der Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht mehr vollstrecke. Zwar liege dann keine Rechtsnachfolge i.S.v. § 727 ZPO vor. Auch soweit das Land gemäß § 7 Abs. 4 UVG künftigen Unterhalt habe verlangen können, habe es dieses Recht im eigenen Namen und damit in gesetzlicher Verfahrensstandschaft geltend gemacht. Mit dem Ende der Unterhaltsvorschussleistungen bestehe der Unterhaltstitel zwar fort. Das Land werde aber, da ein gesetzlicher Forderungsübergang nach der endgültigen Einstellung der Leistungen nicht mehr stattfinden könne, aus diesem Unterhaltstitel nicht mehr vollstrecken. In diesem Fall könne sich die Antragstellerin den in gesetzlicher Verfahrensstandschaft erwirkten Titel in analoger Anwendung des § 727 ZPO umschreiben lassen. Der künftige Unterhaltsanspruch des Kindes sei tituliert, das Kind sei aber nicht formell im Titel als Gläubiger ausgewiesen. Die in Literatur und Rechtsprechung teilweise vorgeschlagene aufschiebend bedingte Tenorierung entspreche nicht der mit § 7 Abs. 1 und 4 UVG bezweckten Vereinfachung der Beitreibung der Unterhaltsforderung. Eine analoge Anwendung des § 727 ZPO sei auch aus verfahrensökonomischen Gesichtspunkten gerechtfertigt.

[7] 2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand.

[8] a) Zu der Frage, ob ein vom Land gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 UVG erstrittener Unterhaltstitel nach Einstellung der Vorschussleistungen im Wege einer analogen Anwendung des § 727 ZPO auf das unterhaltsberechtigte Kind umgeschrieben werden kann, werden in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte und im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten.

[9] In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird überwiegend die Möglichkeit einer Titelumschreibung in entsprechender Anwendung des § 727 ZPO mit der Begründung abgelehnt, dass es für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Zudem sei in diesen Fällen zugunsten des Landes nur ein aufschiebend bedingter Forderungsübergang tituliert worden, der allein die auf das Land gemäß § 7 Abs. 1 UVG übergegangenen Unterhaltsansprüche erfasse, wenn und soweit das Land Unterhaltsvorschussleistungen an das Kind erbracht habe. Das Land mache daher eine eigene künftige Forderung geltend. Der gemäß § 7 Abs. 4 UVG zugunsten des Landes ergangene Unterhaltstitel beziehe sich folglich nicht auf den zukünftig zu zahlenden Kindesunterhalt (OLG Koblenz FamRZ 2014, 872; OLG Düsseldorf FamRZ 2012, 1909 f.; OLG Hamm FamRZ 2012, 910; OLG Schleswig MDR 2010, 752 und FamRZ 2008, 1092 f.; OLG Köln FamRZ 2003, 107; OLG Naumburg OLGR Naumburg 2001, 529).

[10] Andere Oberlandesgerichte bejahen wie die ganz überwiegende Auffassung im Schrifttum dagegen die Möglichkeit einer Titelumschreibung in entsprechender Anwendung des § 727 ZPO (OLG Bamberg FamRZ 2014, 2006 f.; OLG Stuttgart FamRZ 2013, 646 f.; OLG Koblenz FamRZ 2006, 1689; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 1796 f.; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 964 f.; Wendl/...

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