BGB § 123 Abs. 1 § 142 Abs. 1
Leitsatz
1. Bei prozessualen Vergleichsverhandlungen besteht eine Aufklärungs- und Offenbarungspflicht über die der Gegenseite erkennbar nicht bekannten Tatsachen, die für deren Willensbildung von ausschlaggebender Bedeutung sind.
2. Erlangt der Ehemann im laufenden Zugewinnausgleichsverfahren Kenntnis davon, dass er entgegen der bisherigen Vorstellung der Ehegatten Alleineigentümer einer Immobilie ist, so muss er dies der Ehefrau offenbaren; ein auf der unrichtigen Grundlage des hälftigen Miteigentums der Eheleute zum Zugewinnausgleich geschlossener Teilvergleich kann von der Ehefrau angefochten werden, wenn ihr unter Berücksichtigung der zutreffenden Eigentumsverhältnisse eine höhere Zugewinnausgleichsforderung zusteht.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Hamm, Beschl. v. 17.6.2016 – 3 UF 47/15 (AG Ahaus)
1 Aus den Gründen:
[1] I. Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbundverfahren über die Wirksamkeit des gerichtlichen Teilvergleichs vom 19.8.2014, mit dem gegen Zahlung des Antragsgegners von 15.000 EUR sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche der Antragstellerin, insbesondere auch diejenigen auf Ausgleichung des Zugewinns, erledigt sein sollten.
[2] Die Beteiligten heirateten am … 1999. Aus der Ehe sind die Kinder K, N und M hervorgegangen.
[3] Noch vor der Eheschließung hatte der Antragsgegner das Erbbaurecht betreffend das Grundstück … als alleiniger Berechtigter erworben. Die Beteiligten errichteten sodann nach ihrer Heirat auf diesem Erbbaugrundstück gemeinsam ein Einfamilienhaus mit etwa 140 m2 Wohnfläche, das die Beteiligten als Ehewohnung nutzten. Alleiniger Erbbauberechtigter blieb der Antragsgegner.
[4] Im Juli 2012 zog die Antragstellerin gemeinsam mit den Kindern aus der Ehewohnung aus und lebt seit dieser Zeit von dem Antragsgegner getrennt. Im Juli 2013 haben beide Beteiligten im vorliegenden Verfahren wechselseitig die Scheidung ihrer Ehe beantragt.
[5] Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 3.9.2013 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner u.a. auf, zwecks Regelung des Vermögensausgleichs Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen zu erteilen. Die Antragstellerin erteilte ihrerseits mit Schreiben vom 27.9.2013 entsprechende Auskunft; über Grundvermögen oder Erbbauberechtigungen verfügte sie danach nicht bzw. gab solches nicht an. Weil ihre Aufforderung zur Zugewinnausgleichsregelung auf einvernehmliche Art und Weise erfolglos blieb, hat die Antragstellerin – als Scheidungsfolgensache – mit Stufenantrag vom 8.11.2013 Auskunft über das Anfangs- und Endvermögen des Antragsgegners sowie entsprechende Zahlung von Zugewinnausgleich begehrt. Die seitens des Antragsgegners mit Schreiben vom 14.11.2013 erteilte Auskunft hat sie mit Schriftsatz vom 2.12.2013 beanstandet und u.a. hervorgehoben, dass "bei beiden Eheleuten der halbe Wert der in ihrem gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilie mit aufzunehmen" sei. Den Wert der Immobilie schätzte die Antragstellerin in ihrem außergerichtlichen Schreiben vom 22.11.2013 auf insgesamt etwa 250.000 EUR.
[6] Der Antragsgegner hat hierzu mit Schriftsatz vom 27.12.2013 u.a. entgegnet: "Was den Verkehrswert der Haus- und Grundbesitzung, die im jeweils hälftigen Mit-/Bruchteilsgemeinschaftseigentum der Verfahrensbeteiligten steht, angeht, dürfte der von der Antragstellerin angesetzte Betrag mit 250.000 EUR übersetzt sein. Tatsächlich beläuft sich dieser Wert auf maximal 220.000 EUR." Mit weiterem Schriftsatz vom 21.1.2014 hat der Antragsgegner von gemeinsamen Gesprächen der Eheleute berichtet, in denen sie u.a. damit befasst seien, "im Einzelnen näher auszuloten, welchen Ausgleichsbetrag die Antragstellerin bei Verkauf des vom Antragsgegner noch gehaltenen ½ Miteigentumsanteil an der Haus- und Grundbesitzung … von ihm an diese zu zahlen verpflichtet wäre". Zu diesem Zweck vereinbarten die Eheleute zunächst eine Bewertung der Immobilie durch die M Immobilien GmbH, welche unter dem 20.2.2014 erfolgte und einen Marktwert von 236.800 EUR ergab.
[7] Mit Schriftsatz vom 14.4.2014 hat die Antragstellerin darauf ihren Auskunftsantrag vom 8.11.2013 für erledigt erklärt und nunmehr beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 29.438,14 EUR zu verpflichten. Insoweit hat sie für den Antragsgegner einen Zugewinn von 118.780,66 EUR und für sich einen Zugewinn von 59.904,39 EUR errechnet. Dabei hat sie in ihrer Berechnung den Marktwert der "im gemeinsamen Eigentum der Eheleute stehenden Immobilie …" mit 236.800 EUR – wie durch die M Immobilien GmbH bewertet – eingestellt und jeweils hälftig im Endvermögen mit 118.400 EUR berücksichtigt.
[8] Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 12.5.2014 u.a. die Berechnung der Antragstellerin zu seinem Zugewinn in Höhe von 118.780,66 EUR unstreitig gestellt und hat auf sein außergerichtliches Vergleichsangebot vom 16.4.2014 Bezug genommen; danach sei er bereit gewesen, an die Antragstellerin "einen Betrag in Höhe von 120.000 EUR zu zahlen, Zug-um-Zug gegen wechselseitige Erledigungserklärung beiderseitiger Zu...