Kommt das Familiengericht im Ergebnis seiner Prüfung dazu, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge grundsätzlich gegeben sind, muss dieses Ergebnis noch anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überprüft werden. Denn obwohl im Rahmen des § 1671 BGB der grundrechtliche Schutz ein herabgesetzter ist, steht das Mitsorgerecht trotzdem unter dem Schutz des Art. 6 GG.
Mithin ergibt sich eine Prüfungspflicht der Gerichte dahingehend, ob dem Kindeswohl dadurch ausreichend Rechnung getragen werden kann, dass im Wege einer Teilentscheidung eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge für die Teilbereiche erfolgt, bei denen kein Mindestmaß an objektiver Kooperationsfähigkeit und subjektiver Kooperationsbereitschaft vorliegt. In der Praxis ist dies z.B. beim Aufenthaltsbestimmungsrecht der Fall.
Erstrecken sich die Streitigkeiten der Kindeseltern aber auf verschiedene Bereiche der elterlichen Sorge oder ist die Elternbeziehung nachhaltig zerrüttet, wird aus Gründen des Kindeswohls eine teilweise Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge häufig nicht genügen. Maßgebend sind aber hier die Umstände des Einzelfalls.
Teilweise wird vertreten, dass ein weiterer Aspekt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit die Frage sein muss, ob eine etwaige Sorgerechtsauflösung überhaupt geeignet ist, potentielle Beeinträchtigungen des Kindeswohls zu beseitigen bzw. abzumildern. Vor allem bei starken Loyalitätskonflikten des Kindes und einer nachhaltig zerrütteten Elternbeziehung mag dies zweifelhaft erscheinen, da der Streit der Eltern häufig auf einer anderen Ebene (Umgang) fortgesetzt wird und sich für das Kind keine Verbesserung der Situation ergibt. Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge eben nicht dem Kindeswohl am besten dient, sondern beide Alternativen (alleinige/gemeinsame elterliche Sorge) "gleich schlecht" sind. Der Bundesgerichtshof hat sich nun gegen diese Sichtweise gewandt. Insbesondere ist er der Auffassung, dass durch die Anordnung der alleinigen Sorge die Konfliktfelder zwischen den Eltern eingegrenzt werden, was für sich genommen bereits dem Kindeswohl dienlich sein könne.
Welche Lösungsmöglichkeit zu bevorzugen ist, dürfte sich aus der Belastbarkeit der jeweiligen Prognose bzw. Erkenntnis des Gerichts ergeben sowie aus dem Umstand, wie konkret man die Auswirkungen auf das Kindeswohl vorhersagen kann: Wenn gutachterlich festgestellt wurde, dass die Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge keine Verbesserung im Sinne des Kindeswohls bewirkt, muss diese m.E. unterbleiben. Ob und wie häufig eine solche Feststellung mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls (m.E. eher selten). In diesen Fällen dürfte aber auch die dem § 1671 BGB innewohnende Konzeption, dass bei zu starken Konflikten durch eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge Abhilfe zu erwarten ist, widerlegt sein. Die plakative Feststellung, dass eine gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben ist, wenn sie nicht funktioniert, dürfte sich gegen den Eingriff in das grundrechtlich geschützte Mitsorgerecht des Elternteils dann nicht durchsetzen. Denn die in diesen Fällen grundsätzlich vorrangig zu beachtenden Grundrechte des Kindes werden durch zwei "gleich schlechte" Alternativen nicht berührt. Die Rechtsstellung des Elternteils würde dann aber ohne Einzelfallprüfung und ohne rechtfertigenden Grund verschlechtert.
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wird daneben noch die Frage diskutiert, ob eine Sorgerechtsvollmacht eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge gemäß § 1671 BGB entbehrlich machen kann. Allgemein anerkannt ist, dass die Erteilung einer Vollmacht an den anderen sorgeberechtigten Elternteil zulässig sowie frei widerruflich ist.
Ob die Erteilung der Sorgerechtsvollmacht eine Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge verhindern kann, wird von Teilen der Literatur und Rechtsprechung sehr restriktiv beurteilt. Zur Begründung wird auf die Notwendigkeit der Kooperationsfähigkeit und -willigkeit beider Elternteile verwiesen. Mittels einer Sorgerechtsvollmacht könne die gemeinsame elterliche Sorge nur beibehalten werden, wenn die Vollmacht auf der Grundlage einer Vereinbarung der Eltern erteilt wurde. Auch könne eine Sorgerechtsvollmacht eine tragfähige soziale Beziehung der Eltern nicht ersetzen. Darüber hinaus müsse der andere Elternteil mit der Erteilung der Vollmacht einverstanden sein:
M.E. ist insoweit eine etwas großzügigere Betrachtungsweise angezeigt. Die Erteilung der Vollmacht stellt von Seiten des Vollmachtgebers ein Mindestmaß an Kooperation und Kommunikation dar. Dass nach den Vorschriften über die Vollmacht (§ 164 ff. BGB) eine Vollmachtserteilung ein Grundverhältnis voraussetzt, ist zwar zutreffend, m.E. aber nicht der entscheidende Punkt. Denn zum einen ist das Grundverhältnis zwischen den Eltern zum Teil schon gesetzlich durch fam...