Mit der Entscheidung hat der BGH Rechtsprechung zur Hausratsverordnung in das Verfahren in Ehewohnungssachen nach den §§ 200 ff. FamFG transferiert und weitere Vorgaben für die Anwendung des § 1361b BGB gemacht.
1. Aus Gründen des Schutzes des räumlich gegenständlichen Bereichs der Ehe, der für Ehewohnungen materiell-rechtlich durch § 1361b BGB und verfahrensrechtlich durch die §§ 200 ff. FamFG gewährleistet wird, ist wie schon unter Geltung der früheren Hausratsverordnung ein auf § 985 BGB gestützter Antrag eines Alleineigentümers der Ehewohnung auf deren Herausgabe unzulässig. Die Konzentration der Besitzregelung unter den Ehegatten auf das Verfahren nach § 1361b BGB und der Ausschluss des Anspruchs nach § 985 BGB halten sich innerhalb zulässiger gesetzlicher Inhalts- und Schrankenbestimmungen und führen auch im entschiedenen Fall nicht zu einer unverhältnismäßigen, die Sozialbindung überschreitenden Beschränkung des Eigentumsrechts. Die Beeinträchtigung des Verfügungsrechts des Eigentümer-Ehegatten besteht nämlich nur für die Trennungszeit. Der wirtschaftliche Wert des Eigentums kann durch den Anspruch auf Nutzungsvergütung realisiert werden.
2. Nach der unbestrittenen Rechtsprechung des BGH ist der Anwendungsbereich des § 1361b BGB auch bei Alleineigentum eines Ehegatten an der Ehewohnung eröffnet. Die Vorschrift umfasst Fälle von Eigentum, Erbbaurecht, Nießbrauch, Wohnungseigentum, Dauerwohnrecht und dinglichem Wohnrecht unabhängig davon, ob sie beiden Ehegatten gemeinsam oder nur einem von ihnen allein oder gemeinsam mit einem Dritten zustehen.
3. Bedeutsam ist die Änderung der Rechtsprechung des BGH zur Qualifizierung als Ehewohnung. Schon bislang ging der BGH davon aus, dass die Qualifizierung als Ehewohnung nicht davon abhängt, dass noch beide Ehegatten in der Wohnung leben bzw. der in der Wohnung verbliebene Ehegatte auch Mietvertragspartei ist. Auszug eines Ehegatten, Überlassung der Wohnung an den verbleibenden Ehegatten für einen längeren Zeitraum oder nur sporadische Nutzung des gewichenen Ehegatten führten nicht zu einer Entwidmung. Erst wenn der gewichene Ehegatte diese endgültig aufgibt, sollte der Charakter als Ehewohnung verloren gehen. Diese Entscheidung ist nicht ohne Kritik geblieben. An der bisher vertretenen Auffassung hält der BGH nicht mehr fest. Es gilt: Die Ehewohnung behält ihren Charakter während der gesamten Trennungszeit.
4. Zentrale Bedeutung hat die Entscheidung auch für die Rechtswirkungen des § 1361b Abs. 4 BGB. Die Vermutungswirkung des § 1361b Abs. 4 BGB zieht nach sich, dass ein Überlassungsverhältnis begründet wird, auf das die Rechtsfolgen des § 1361b Abs. 3 BGB einstweilen gestützt werden können (Wohlverhaltenspflicht und Anspruch auf Nutzungsentschädigung). Dieses Überlassungsverhältnis hat grundsätzlich Gültigkeit für die gesamte Trennungszeit, ist indes bei einer wesentlichen materiellen Veränderung der zur Zeit der Überlassung maßgeblichen ehebezogenen Umstände einer Abänderung zugänglich. Die gilt einmal für den Fall, dass der weichende Ehegatte den anfangs begründeten Überlassungsanspruch streitlos hingenommen hat; insoweit ist der Antrag auf eine Erstentscheidung nach § 1361b BGB in einem Ehewohnungsverfahren zu richten. Dies gilt ebenfalls bei einer Überlassungsentscheidung in einer Ehewohnungssache unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 FamFG.
5. Im Rahmen der nach § 1361b BGB zu treffenden Billigkeitsentscheidung sind neben den Kindesbelangen die Eigentumsverhältnisse der Ehegatten heranzuziehen. Das Eigentum an der Ehewohnung kann dazu führen, dass zur Begründetheit eines Zuweisungsantrages die an das Vorliegen einer unbilligen Härte zu stellenden Anforderungen herabgesetzt werden können. Der Vorrang des Schutzes der Ehewohnung als räumlich-gegenständliches Substrat der Ehe und Basis des Zusammenlebens kann Vorrang vor den Interessen des – weichenden – Alleineigentümers haben.
Werner Reinken, Vorsitzender Richter am OLG Hamm a.D.
FF 2/2017, S. 62 - 67