FamFG § 155 § 155b § 155c
Leitsatz
1. Die Vorschriften über die Beschleunigungsrüge und die Beschleunigungsbeschwerde (§§ 155b, 155c FamFG) sind analog auf Sorgerechts- und Umgangsverfahren anwendbar, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) anhängig waren.
2. Zur Beurteilung der Frage, ab wann eine Verfahrensdauer nicht mehr als angemessen anzusehen ist, ist eine Abwägung aller verfahrens- und sachbezogenen Faktoren sowie der subjektiven, personenbezogenen Umstände vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind dabei neben der Schwierigkeit des Verfahrens, seiner Bedeutung für die Verfahrensbeteiligten sowie die Verfahrensführung und Verfahrensförderung durch das Gericht auch das (verfahrensverzögernde) Verhalten der Verfahrensbeteiligten im Verfahren.
OLG Bremen, Beschl. v. 12.10.2017 – 4 UF 107/17 (AG Bremen)
1 Gründe:
[1] I. Der Kindesvater rügt, dass die bisherige Verfahrensdauer in der vorliegenden Kindschaftssache nicht dem Vorrang- und Beschleunigungsgebot nach § 155 Abs. 1 FamFG entspricht.
[2] Die Kindeseltern streiten um das Sorgerecht für ihren aus ihrer nichtehelichen Beziehung hervorgegangenen Sohn ( … ), geb. ( … ) 2004.
[3] Aufgrund einer Sorgeerklärung (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB) waren die Kindeseltern für ihren Sohn zunächst gemeinsam sorgeberechtigt. Auf Antrag des Kindesvaters vom 25.8.2006 hat das Familiengericht mit Beschluss vom selben Tag im Wege einstweiliger Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Kindesvater übertragen. Mit Beschl. v. 20.10.2006 hat das Familiengericht dem Kindesvater sodann im Wege einstweiliger Anordnung die gesamte elterliche Sorge allein übertragen. Der Kindesvater hat außerdem den Antrag gestellt, ihm auch im Wege der Entscheidung in der Hauptsache die elterliche Sorge allein zu übertragen. Für den anschließenden Verlauf des Verfahrens wird auf die Sachverhaltsdarstellung in dem den Beteiligten bekannten Beschluss des 5. Zivil- und Familiensenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 2.2.2016 (Az. 5 UF 35/15) Bezug genommen. Mit Beschl. v. 7.4.2015 hat das Familiengericht die einstweilige Anordnung vom 20.10.2006 aufgehoben und den Hauptsacheantrag des Kindesvaters auf Alleinsorge zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen, die seinerzeit zum Erlass der einstweiligen Anordnung geführt hätten, nicht mehr vorlägen, und nicht feststellbar sei, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Alleinsorge des Kindesvaters dem Kindeswohl am besten entsprächen.
[4] Auf die Beschwerde des Kindesvaters hat das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen durch Beschl. v. 2.2.2016 (Az. 5 UF 35/15) den Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 7.4.2015 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückverwiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel leide, weil das Familiengericht den Sachverhalt ungenügend aufgeklärt habe. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschl. v. 2.2.2016 Bezug genommen.
[5] Nach Wiedereingang der Akte beim Amtsgericht ersuchte die Familienrichterin durch Verfügung vom 18.3.2016 das Jugendamt um Einschaltung des Internationalen Sozialdienstes zur Erstellung eines Berichts über die aktuelle Lebenssituation des Kindes. Außerdem wurde der Kindesvater mit gleicher Verfügung um Mitteilung gebeten, ob er bereit sei, zu einer gerichtlichen Anhörung vor dem Familiengericht Bremen zu erscheinen. Mit Schreiben vom 5.4.2016 teilte das Jugendamt mit, dass es sich wegen des zwischenzeitlichen Umzugs der Kindesmutter nach ( … ) nicht mehr für zuständig halte und deswegen eine von ihm initiierte Beauftragung des Internationalen Sozialdienstes nicht in Betracht komme. Mit seiner "Gegenvorstellung" vom 11.4.2016 stellte der Kindesvater die örtliche Zuständigkeit des Jugendamtes Bremen ebenfalls in Abrede. Die ihm gestellte Frage, ob er bereit sei, zu einem Anhörungstermin des Familiengerichts in Bremen zu erscheinen, verneinte er.
[6] Mit Schriftsatz vom 19.4.2016 beantragte der Kindesvater, die Bestellung der Verfahrenspflegerin aufzuheben und sein mit Schriftsatz vom 17.6.2011 gestelltes Ablehnungsgesuch gegen die Richterin am Amtsgericht X. zu bescheiden.
[7] Durch Verfügung vom 13.6.2016 fragte die Familienrichterin unter Bezugnahme auf den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 2.2.2016 bei der bereits für das Verfahren bestellten Sachverständigen an, ob eine Begutachtung auch aufgrund einer Exploration nur der Kindesmutter und eines Sozialberichts zur aktuellen Lebenssituation des Kindes in Betracht komme oder, wenn dies nicht möglich sei, eine Begutachtung in den USA durchzuführen sei. Außerdem teilte sie dem Kindesvater mit, dass sich das von ihm genannte Ablehnungsgesuch vom 17.6.2011 nicht in der Akte befinde. Mit Schreiben vom 8.7.2016 und 25.7.2016 wies die Sachverständige darauf hin, ...