aa) Allgemeine Grundsätze
Vorgelegte Gutachten hat das Familiengericht kritisch zu würdigen. Gegenstand der Überprüfung sind zugrunde gelegte tatsächliche Umstände, logische Schlüssigkeit, Tragfähigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie der eingesetzten Erkenntnismethoden im Allgemeinen und der Schlussfolgerungen des Gutachters im Besonderen. Eine familiengerichtliche Entscheidung sollte erkennen lassen, warum dem Gutachten zu folgen ist, d.h. dass das Gericht die Gedankengänge des Sachverständigen nachvollzogen, dessen tatsächliche Feststellungen, die Anwendung der wissenschaftliche Erkenntnisse sowie die gezogenen Schlüsse in hinreichender Weise auf ihre Tragfähigkeit geprüft und sich eine eigene Überzeugung gebildet hat. Bei der Prüfung von familienpsychologischen Sachverständigengutachten ist auf folgende Punkte zu achten:
▪ |
fehlende wissenschaftliche Begründung und Tragfähigkeit |
▪ |
fehlende logische Schlüssigkeit |
▪ |
Widersprüchlichkeit |
▪ |
Unübersichtlichkeit |
▪ |
Verwendung falscher tatsächlicher Voraussetzungen |
▪ |
Verwendung streitiger Anschlusstatsachen |
▪ |
fehlende Bezeichnung von Gehilfen und vom Umfang deren Tätigkeit. |
Hinweis:
Als Bestandteil der Mindestanforderungen eignen sich für eine Überprüfung auch die im dortigen Anhang aufgeführten Fragen.
bb) Mangelhaftigkeit des Gutachtens wegen Befangenheit des Sachverständigen
Die Ausführungen im Gutachten dürfen keine sachfremden Erwägungen oder Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen erkennen lassen.
Ein Teil der im Rahmen der Qualitätsdiskussion über familienpsychologische Gutachten angeführten Fälle zeichnet sich dadurch aus, dass die diskutierten Gutachten deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellten, da erhebliche Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen bestanden. Auch wenn diese Gründe nicht zu einer erfolgreichen Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit führen, können sie die Verwertbarkeit des Gutachtens infrage stellen.
Eine teilweise oder vollständige Unverwertbarkeit des Gutachtens kommt insbesondere in Betracht, wenn der Sachverständige den Gutachtenauftrag eigenständig überschreitet oder nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zugrunde legt bzw. Beweise eigenständig würdigt.
Hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen gilt dies nicht, wenn dem Gericht die erforderliche Sachkunde für die Entscheidung fehlt, welche Tatsachen für die Begutachtung erheblich und deshalb zu erheben sind. Dann kann es dem Sachverständigen überlassen werden, die notwendige Auswahl zu treffen und die Anknüpfungstatsachen auch selbst zu erheben. Weiterhin entspricht diese Vorgehensweise der allgemeinen Übung bei familienpsychologischen Gutachten und hat ihre Anerkennung in den Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht (vgl. dort unter Punkt D. I Nr. 5) gefunden. Zur Vermeidung einer Befangenheit ist es in diesen Fällen ausreichend, wenn der Sachverständige nachvollziehbar deutlich macht, aus welchem Grund er welche Anknüpfungstatsachen zugrunde legt. Allerdings ist der Sachverständige nicht befugt, den Gutachtenauftrag des Gerichts auszudehnen und bei einem Gutachten betreffend eine Sorgerechtsfrage eine nach seiner Ansicht angemessene Umgangsregelung vorzuschlagen. Auch eine einseitige Gestaltung der Begutachtung aufgrund der Vorgaben eines der Verfahrensbeteiligten kann zur Besorgnis der Befangenheit und damit zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führen.
Soweit das OLG Hamm davon ausgeht, dass die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen für Sachverständigengutachten in Kindschaftsverfahren zusammen mit Schlussfolgerungen zum Nachteil eines Beteiligten die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, erscheint dies zu weitgehend. Vielmehr handelt es sich dabei um inhaltliche Mängel des Sachverständigengutachtens, die dazu führen, dass es nicht Grundlage einer richterlichen Entscheidung sein kann. Bloße inhaltliche Mängel des Gutachtens können in der Regel nicht die Befangenheit des Sachverständigen begründen.
Hingegen kann das Ergreifen von Maßnahmen durch den Sachverständigen, wenn es sich um solche handelt, die dem Familiengericht vorbehalten sind (Einschränkung von Umgangskontakten), die Besorgnis der Befangenheit begründen. Abhängig von den Umständen des Einzelfalls können auch die fehlende Neutralität des Sachverständigen (Vorbehalte gegen Beteiligte aufgrund ihrer Herkunft) oder die Unsachlichkeit des Sachverständigen die Befangenheit ...