Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig (Hrsg.)2017 (Beiträge zum europäischen Familien- und Erbrecht, Band 18), 377 Seiten, 84 EUR, Gieseking Verlag
Der umfangreiche Tagungsband fasst die Vorträge zusammen, die bei der Tagung in Regensburg im Oktober 2016 gehalten wurden.
Im Kern geht es darum, ob die Ehescheidung in Zukunft durch Standesbeamte durchgeführt werden soll oder ob es bei der bewährten Familiengerichtsbarkeit verbleibt. Ist eine derartige Erleichterung der Scheidung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten überhaupt machbar? Ist es sinnvoll, die Ehescheidung von den Ehescheidungsfolgen abzukoppeln? Sollen Privatscheidungen in Zukunft möglich sein? Mit diesen Fragen beschäftigte sich die in Regensburg zusammengekommene Schar von Wissenschaftlern aus ganz Europa.
Die rechtspolitische Diskussion über diese Frage ist nicht neu: 1999 hatte sich Frau Peschel-Gutzeit, frühere Senatorin für Justiz in Hamburg und Berlin, schon mit dem Thema beschäftigt (Peschel-Gutzeit, FPR 1999, 70).
Wir hatten eine umfangreiche Diskussion im Zusammenhang mit dem Begriff "Scheidung light" – Notarscheidung in der Zukunft – im Jahr 2005. Rechtspolitiker und Familienrichter hatten seinerzeit in Zusammenarbeit mit den Anwaltsorganisationen diesen Vorschlag, Notare mit der Ehescheidung zu befassen, zurückgewiesen. Es blieb beim alten Zustand. Die damalige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, Frau Kollegin Dr. Ingrid Groß aus Augsburg, hat damals schon zu mir gesagt: "Klaus, stell den Aktenordner nicht zu weit in das Archiv. Wir werden dieses Thema mit Sicherheit wieder auf den Tisch bekommen" – und sie sollte Recht behalten (vgl. Bergerfurth, FF 2005, 291; Brudermüller, FF 2006, 121; vor allem Peschel-Gutzeit, Podiumsdiskussion Herbsttagung in Lübeck, FF 2006, 3 ff.).
In dem Band der FamRZ-Schriftenreihe findet sich ein lesenswerter Aufsatz von Prof. Schwab: "Wie kommt die Ehe zum Gericht?". Schwab ist zu Recht skeptisch, was die Scheidung ohne Gericht bringen könnte. Allenfalls bei einvernehmlichen Ehescheidungen könnte eine Scheidung ohne Gericht in Betracht gezogen werden.
Sodann stellt Prof. Dutta den Stand des Scheidungsrechts in Deutschland umfassend dar. Er sieht die Gefahr einer Zwei-Klassen-Scheidung dann, wenn bei einer außergerichtlichen Scheidung keine Äquivalenz zur Verfahrenskostenhilfe geschaffen würde.
Ein wesentlicher Schutzmechanismus des Schwächeren würde im Prinzip auch beseitigt werden, wenn der Verbund zwischen Scheidung und Scheidungsfolgen aufgelöst würde.
Prof. Susanne Ferrari aus Österreich behandelt den Stand des Scheidungsrechts in Österreich. Eine Reform des Scheidungsrechts sieht die Einführung einer Privatscheidung derzeit nicht vor. Inwieweit die noch bestehende Verschuldensscheidung abgeschafft wird, muss abgewartet werden. Der Stand des Scheidungsrechts in der Schweiz sieht ebenfalls keine Privatscheidung vor.
Interessant sind vor allem die Berichte der verschiedenen Professoren über Italien (Patti) und Spanien (Ferrer Riba), die offenbar weitgehend auf eine Regelung abzielen, die den Familienrichter weitgehend arbeitslos werden lässt. Gleiches gilt im Übrigen auch für Frankreich (Ferrand).
Problematisch sind zweifellos auch die Feststellungen in den nordischen Ländern, insbesondere Norwegen, Slowenien, England und Wales.
Professor Helms aus Marburg beschreibt die neuen Entwicklungen im Scheidungsrecht als Herausforderung für das internationale Privatrecht.
In der Zusammenfassung der Schlussbetrachtung kommt Prof. Henrich aus Regensburg zu dem Schluss, dass der Trend unverkennbar ist. Die Scheidung wird demnach immer mehr erleichtert, Ziel ist die einverständliche Ehescheidung.
Bei der italienischen Scheidung vor dem Standesbeamten kostet die Scheidung so viel wie das Aufgebot zur Eheschließung. Zu Recht weist Henrich darauf hin, dass die billigste Lösung aber nicht immer die beste sein muss.
Unterschiede werden gemacht, wenn Kinder des Ehepaares betroffen sind. Hier werden in Italien und Spanien dann außergerichtliche Scheidungen mit anwaltlicher Unterstützung und vor dem Standesbeamten durch die Kontrolle des Staatsanwalts beim zuständigen Gericht eingeschränkt (S. 362 ff.).
Einen Gesichtspunkt habe ich aber bei den vielen Beiträgen vermisst: Den Hinweis darauf, dass in Deutschland im Zuge der Beschäftigung mit der Qualifikation von Sachverständigen auch die Qualität der Familienrichter verbessert werden muss (vgl. insofern die Stellungnahme des Rechtsausschusses im Zuge der Verabschiedung des neuen Gesetzes zu der Qualifikation der Sachverständigen, FF 2016, 266).
Wer die rechtspolitische Diskussion zu diesem wichtigen Teilbereich der familienrechtlichen Diskussion verfolgen will, muss dieses Buch gelesen haben.
Autor: Klaus Schnitzler
Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen
FF 2/2018, S. 87 - 88