FamFG § 114 Abs. 1 § 78 Abs. 2; BGB § 1666 § 1666a
Leitsatz
In Verfahren, die Eingriffe in das Elternrecht nach §§ 1666, 1666a BGB zum Gegenstand haben, stellt sich die Prüfung, ob die Voraussetzungen für gerichtliche Maßnahmen gegeben sind und welche Anordnungen im Kindesinteresse getroffen werden müssen, regelmäßig sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht als schwierig dar. Angesichts der Bedeutung des Verfahrensgegenstands für die beteiligten Eltern ist daher die Vertretung durch einen Rechtsanwalt regelmäßig geboten. (Leitsätze der Redaktion)
OLG Celle, Beschl. v. 14.12.2011 – 19 W 315/11 (AG Verden)
1 Gründe:
Die gemäß § 76 Abs. 2 FamFG, §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567, 569 ff. ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Kindesvaters hat auch in der Sache Erfolg.
Ihm kann die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit versagt werden. In dem auf Anregung des Jugendamtes eingeleiteten und nach Anhörung der Beteiligten auch noch nicht beendeten Verfahren wird geprüft, ob familiengerichtliche Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu ergreifen sind. Ungeachtet des Umstandes, dass das Amtsgericht den von möglichen Eingriffen in die ihm zustehende elterliche Sorge betroffenen Kindesvater am Verfahren beteiligt hat, ist seine Verfahrensbeteiligung auch sachlich geboten und in keinem Fall verfahrenskostenrechtlich mutwillig. Da der Kindesvater nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, für die Verfahrenskosten auch nur teilweise selbst aufzukommen, ist ihm ratenfreie Verfahrenskostenhilfe zu gewähren.
Darüber hinaus ist ihm auch antragsgemäß sein Verfahrensbevollmächtigter im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe zur Vertretung beizuordnen. Für das vorliegende Sorgerechtsverfahren ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben (§ 114 Abs. 1 FamFG). Gemäß § 78 Abs. 2 FamFG wird daher ein Rechtsanwalt nur beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und hier zu bejahen. Die Regelungen der §§ 1666, 1666a BGB eröffnen die Möglichkeit vielfältiger familiengerichtlicher Maßnahmen, die – von konkreten Verhaltensgeboten oder -verboten bis hin zu einem evt. mit einer Trennung des Kindes von seinen Eltern verbundenen (teilweisen) Entzug der elterlichen Sorge – in Ausgestaltung und Intensität sehr verschieden sind. Solcherlei Eingriffe in das grundgesetzlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 3 GG) erfordern aber stets ein Versagen der Erziehungsberechtigten oder eine aus anderen Gründen drohende Verwahrlosung des Kindes. Die Prüfung, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen für familiengerichtliche Maßnahmen überhaupt gegeben sind und ggf. welche Anordnungen im Interesse des Kindeswohls zu treffen sind, stellt sich regelmäßig sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht als schwierig dar. Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Bedeutung des Verfahrensgegenstands für die beteiligten Eltern würde sich auch ein wirtschaftlich denkender Verfahrensbeteiligter, der selbst für die Kosten des Verfahrens aufzukommen hat, anwaltlichen Beistandes bedienen.
Mitgeteilt von Jörk Matthäi, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Verden