Lange wurde sie erwartet, die erste Entscheidung des BGH nach der vom Bundesverfassungsgericht vorgenommenen "Entzauberung der Drittelmethode" – jetzt ist sie da. Dass sie für die amtliche Sammlung vorgesehen ist, unterstreicht ihre Bedeutung. Was ist ihr Inhalt? Sind damit alle Streitfragen geklärt?
I. Zum Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 BGB) liegt eine wesentliche Aussage zunächst in der klar erklärten [16] Rückkehr zum früheren Stichtagsprinzip.
1. Danach werden die ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich durch die bis zur Rechtkraft der Ehescheidung eintretenden Umstände bestimmt; das sind alle Umstände, die das verfügbare Einkommen schon vor Rechtskraft der Scheidung beeinflusst haben. Auch wenn weitere Unterhaltsberechtigte bis zur Rechtskraft der Scheidung hinzukommen, ist das zu berücksichtigen [18]. Das gilt nicht nur für gemeinsame Kinder, sondern auch für Kinder des Schuldners aus neuer Beziehung, sofern sie vor Rechtskraft der Scheidung geboren werden, und zwar selbst dann, wenn sie inzwischen volljährig und deshalb gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nachrangig sind. Der Nachrang wirkt sich erst im absoluten Mangelfall im Rahmen der Leistungsfähigkeit aus [19].
Gleiches gilt für den Unterhaltsanspruch der Mutter des nichtehelichen Kindes nach § 1615l BGB, sofern das Kind vor Rechtskraft der Scheidung geboren wird; denn auch diese Unterhaltspflicht hat die ehelichen Lebensverhältnisse bereits beeinflusst und ist vorab abzuziehen [20].
2. Bedarfsprägend können sich aber auch Umstände auswirken, die erst nach Rechtskraft der Ehescheidung entstanden sind, sofern sie mit der Ehe in Zusammenhang stehen.
a) Erforderlich ist ein "gewisser Bezug" zu den ehelichen Lebensverhältnissen im Hinblick auf den Wortlaut des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB. Notwendig ist hier (alternativ), dass die späteren Entwicklungen
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entweder einen Anknüpfungspunkt in der Ehe finden, also dort "angelegt" sind, |
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oder im Falle des (gedachten) Fortbestandes der Ehe auch deren Verhältnisse geprägt hätten. |
An seiner diesbezüglichen Rechtsprechung zur Berücksichtigung der in der Ehe "angelegten" nachehelichen Veränderungen im Rahmen der Bedarfsbemessung hält der BGH ausdrücklich fest [23]. Danach bleibt es bei der Notwendigkeit, dass der spätere Umstand "angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten" war; eine absehbare Entwicklung erfasst einen (nicht vorwerfbaren) nachehelichen Einkommensrückgang ebenso wie Arbeitslosigkeit oder Renteneintritt, ebenso nacheheliche Veränderungen im Ausgabenbereich, sofern diese auch bei Fortbestand der Ehe zu erwarten waren. Bei Vorwerfbarkeit sind dagegen fiktive Einkünfte anzusetzen [24]. Eine nachehelich aufgenommene Erwerbstätigkeit des Berechtigten ist Surrogat der früheren Haushaltstätigkeit und ebenfalls bedarfsprägend; der hinreichende Ehebezug wird hier angenommen unter Hinweis auf eine zu erwartende Arbeitsaufnahme bei Älterwerden der Kinder [25].
b) Keinen Ehebezug haben dagegen nach Ansicht des BGH folgende nacheheliche Entwicklungen:
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Unterhaltspflicht gegenüber dem neuen Ehegatten, |
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Splittingvorteil aus der neuen Ehe, |
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sonstige, von der neuen Ehe abhängige Einkommenszuschläge, |
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Synergieeffekte wegen Zusammenlebens des Schuldners mit neuer Ehefrau, |
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Unterhaltspflichten für nachehelich geborenes Kind und Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB. |
c) Der BGH verweist anschließend auf die Notwendigkeit der Beachtung des Halbteilungsgrundsatzes; Unterschiede im Einkommen der geschiedenen Ehegatten führen danach nicht zu einer unterschiedlichen Beurteilung ihrer ehelichen Lebensverhältnisse. Bei der Bedarfsbemessung ist beiden Ehegatten das den früheren Lebensstandard prägende Einkommen grundsätzlich hälftig zuzuordnen, unabhängig davon, wer es erzielt [28]. Ausnahmen gibt es nur bei besonders engen (Mindestbedarf) oder guten (konkrete Bedarfsbemessung) Lebensverhältnissen [29].
II. Die anschließenden Ausführungen des BGH zur Leistungsfähigkeit machen deutlich, dass sich die Diskussion zukünftig verstärkt im Bereich von § 1581 BGB abspielen wird. Hier sind auch weitere Umstände zu berücksichtigen, die sich (aufgrund geänderter Rechtsprechung) beim Bedarf nicht auswirken.
1. Hingewiesen wird zunächst auf den Grundsatz, dass die Unterhaltspflicht für den Schuldner im Hinblick auf dessen allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) nicht unverhältnismäßig und unzumutbar sein darf. Sofern das nicht schon im Rahmen der Bedarfsbemessung berücksichtigt wird, ist es jedenfalls bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit zu beachten; denn der eigene angemessene Unterhalt des Schuldners darf nicht geringer sein als der an den Berechtigten zu leistende Betrag [33]. Differenziert wird wie folgt:
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Übersteigt der Bedarf des Berechtigten den beim Schuldner verbleibenden Betrag, liegt ein relativer Mangelfall vor; er führt zur Kürzung des Unterhalts beim Berechtigten und des individuellen Selbstbehalts beim Pflichtigen. |
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Ist für den Schuldner die Untergrenze des ei... |