Ingeborg Rakete-Dombek
Der BGH hat am 1.6.2011 entschieden, dass für die Betreuung des gemeinsamen Kindes grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB sei auch im Rahmen des Betreuungsunterhaltes nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssten. Erstmals hatte der BGH in seiner Entscheidung vom 15.9.2010 (FF 2010, 490) darauf hingewiesen, dass auch das Umgangsrecht des nichtbetreuenden Elternteils dazu führen könne, dass den betreuenden Elternteil weitergehende Erwerbsobliegenheiten treffen. Das wurde bislang überwiegend verneint. Die vom BGH erforderte "Verlässlichkeit" beim Umgang (KG FamRZ 2009, 981: "Es findet im Unterhaltsverfahren keine Fortsetzung des Sorgerechtsstreits statt.") wurde bezweifelt. Die Vorinstanz (OLG Celle FamRZ 2009, 975) hatte noch festgestellt, dass, wenn zwischen dem Vater und den gemeinsamen Kindern im grundschulpflichtigen Alter tatsächlich seit geraumer Zeit nicht einmal ein unbegleiteter Umgang stattfinde, ein Verbalangebot des Vaters auf Kinderbetreuung während der Nachmittage zur Ermöglichung einer Ausweitung der Erwerbstätigkeit der Mutter "nicht einmal eine beachtliche alternative Betreuungsmöglichkeit aufzuzeigen" vermag.
Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorrangig. Die Grenze der Betreuungsmöglichkeit des Vaters dürfte allerdings u.a. in dessen eigener zeitlicher Beanspruchung durch seine Erwerbstätigkeit zu erblicken sein. Dies war für einen Vater, der sich bereits im Ruhestand befand, ein wirksames Argument, sein Betreuungsangebot war somit ernbrowsersthaft und verlässlich (OLG Saarbrücken ZFE 2010, 113).
Was bedeutet das? Nicht nur, dass Mütter nach dem 3. Lebensjahr ihres (jüngsten) Kindes einer verstärkten Erwerbsobliegenheit unterliegen, sondern vielleicht auch, dass nun die Väter sich berechtigterweise vermehrt aus dem Erwerbsleben zurückziehen, weil sie Betreuungsaufgaben übernehmen? Das Bild der beiderseits lediglich Teilzeit arbeitenden Eltern, die beide tatsächlich Verantwortung für ihr Kind tragen, rückt damit näher. Schade nur, dass der Streit um den Unterhalt nun im Umgangs- und Sorgerechtsverfahren (auch) leitendes Motiv sein wird. Dies war zwar beim Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die "zwangsweise" Durchsetzung eines Wechselmodells schon bisher gelegentlich zu vermuten. Nun steht die Unterhaltsfrage als Motiv aber wenigstens offen im Raum. Gegen ernsthafte und verlässliche Betreuungsangebote ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden. Das Umgangsrecht ist ein höchstpersönliches Recht. Es ist nicht delegierbar. Hierauf sollte in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Der Vater ist keine schlechtere Betreuungsperson als die Mutter, wenn diese schon andere Betreuungseinrichtungen vorrangig nutzen soll. Warum also nicht – vorrangig vor anderen Betreuungseinrichtungen – den Vater einspannen?
Ingeborg Rakete-Dombek, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin für Familienrecht, Berlin