Der Streitfall ist dadurch gekennzeichnet, dass dem unterhaltsberechtigten Ehegatten seit der Scheidung – zunächst neben einem Teilunterhalt gemäß § 1570 BGB – durchgängig Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zuerkannt wurde; insoweit war der Anspruch durch Vergleich tituliert. Der unterhaltspflichtige Ehegatte verfügte durchgängig über höhere Einkünfte, als der unterhaltsberechtigte Ehegatte – auch nach Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit – erwirtschaften konnte. Eine Ausnahme ergab sich lediglich für einen dreimonatigen Zeitraum, in dem der unterhaltspflichtige Ehegatte nach gesundheitsbedingter Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses und 21-monatigem Bezug von Arbeitslosengeld I Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II bezog. Nach erneuter Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit stellte sich das bisherige Einkommensgefälle wieder ein.

Die Entscheidung des BGH hat für die Praxis unter folgenden Gesichtspunkten Bedeutung:

1. Der Nachscheidungsunterhalt wird gemäß § 1569 BGB von der Eigenverantwortung des Unterhalt fordernden Ehegatten und der nachwirkenden Mitverantwortung des Unterhalt schuldenden Ehegatten geprägt. Ein Ehegatte kann nur nach Maßgabe der in den §§ 1570 ff. BGB bezeichneten Bedürfnislagen nachwirkende unterhaltsrechtliche Verantwortung von dem anderen Ehegatten verlangen. Deshalb ist es stets wichtig, dem geforderten bzw. dem zugesprochenen Nachscheidungsunterhalt die jeweiligen Normen zuzuweisen, die den Anspruch tragen.[1] Jedenfalls bei einem Unterhaltsvergleich haben es die Beteiligten selbst in der Hand, die entsprechenden unterhaltsrechtlichen Bestimmungen sowie die ansonsten maßgeblichen Grundlagen konkret zu formulieren bzw. durch das Familiengericht in den Vergleichstext aufnehmen zu lassen.

2. Zudem müssen die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen der nachehelichen Unterhaltstatbestände seit der Scheidung ohne zeitliche Unterbrechung vorliegen.

Soweit dies der Fall ist und Unterhalt nur deshalb vorübergehend nicht geschuldet wird, weil der Unterhaltsberechtigte nicht bedürftig oder der Unterhaltspflichtige nicht leistungsfähig ist, können Unterhaltsansprüche in der Zeit nach der Wiederherstellung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit gegeben sein.

Dieser Grundsatz gilt auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB. Auch ohne Benennung eines konkreten Einsatzzeitpunktes in dieser Vorschrift muss für den Anspruch auf (originären) Aufstockungsunterhalt ein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung bestehen. Die tatbestandsspezifischen Voraussetzungen müssen seit der Scheidung grundsätzlich ohne zeitliche Lücke gegeben sein. Ist dies der Fall, kann Aufstockungsunterhalt nicht nur sofort mit der Scheidung, sondern auch noch zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden. Dabei ist entscheidend, dass zur Wahrung der maßgeblichen Einsatzzeitpunkte beim Aufstockungsunterhalt (nur) ein Einkommensgefälle zwischen den Ehegatten vorliegen muss. Es schadet nicht, wenn sich im Einsatzzeitpunkt rechnerisch noch kein Aufstockungsunterhaltsanspruch ergibt. Er muss nur latent vorhanden sein und kann deshalb bei einer Veränderung eheprägender Umstände auch nach dem Einsatzzeitpunkt noch entstehen. So liegt es etwa, wenn die Bedienung eheprägender Schulden durch den besser verdienenden Ehegatten später wegfällt; gleiches gilt für den späteren Wegfall eheprägenden Kindesunterhalts. Ein vorübergehendes Absinken der prägenden Einkünfte des unterhaltspflichtigen Ehegatten unter das Niveau des unterhaltsberechtigten Ehegatten unterbricht den zeitlichen Zusammenhang ebenfalls nicht. Entscheidend ist insoweit, dass sich die nach diesem Zeitraum erzielten Einkünfte weiterhin als eheprägend darstellen. Dies ist der Fall, wenn die wieder ein Einkommensgefälle ergebenden Einkünfte durch den Unterhaltspflichtigen in der Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit gegenüber dem unterhaltsberechtigten Ehegatten erzielt werden.

3. In verfahrensrechtlicher Hinsicht richtet die Entscheidung den Blick auf Problemlagen der Abänderung von vollstreckbaren Unterhaltstiteln. Haben mehrere Abänderungsverfahren stattgefunden, ist für ein neues Abänderungsverfahren auf das letzte abzustellen. Im Fall war dies das gerichtlich geführte Abänderungsverfahren, das den einvernehmlich abgeänderten Scheidungsfolgenvergleich zum Gegenstand hatte und zu einer vollständigen Abweisung der Abänderungsklage des unterhaltspflichtigen Ehegatten geführt hatte. Diese Entscheidung wurde durch Urteil getroffen. Damit ist zugleich geklärt, dass ein weiteres Abänderungsverfahren sich nicht mehr gegen den Vergleich richten kann, der im Ergebnis aufrechterhalten wurde, vielmehr nunmehr die gerichtliche Entscheidung zur Abänderung steht. Im Gegensatz zur Abänderung eines Vergleichs (§ 239 FamFG), die allein nach materiellen-rechtlichen Kriterien bestimmt wird[2] und Beschränkungen der Präklusionsvorschriften nicht unterliegt, kann die Abänderung einer gerichtlichen Unterhaltsentscheidung nach § 2...

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