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Zusammenfassung

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Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das Familiengericht in einer Kindschaftssache diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten dient (vgl. § 1697a BGB). Damit hat der Umgang dem geistig-seelischen und körperlichen Wohl des Kindes zu dienen. Eine weitere Kernaussage zum Umgang enthält § 1626 Abs. 3 BGB, nach der zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit beiden Eltern gehört sowie der Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen hat. Die Ausgestaltung des Umgangs zwischen Kindern und Eltern hat das Alter und den jeweiligen Entwicklungsstand des Kindes zu berücksichtigen.[1] Mit Rücksicht hierauf kommt dem unterschiedlichen Alters- und Entwicklungsstand der Kinder große Bedeutung zu.

[1] Fthenakis, FPR 1995, 94.

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Schlüsselworte: Umgang, Kindeswohl, Alter und Entwicklungsstand des Kindes, Beziehungen und Bindungen des Kindes

I. Einleitung

Insgesamt waren 2014 rund 134.800 Kinder und Jugendliche von der Scheidung ihrer Eltern betroffen, knapp 1 % weniger als im Vorjahr. 56.400 Umgangsverfahren waren anhängig, meist in Folge eines Trennungs- und Scheidungsverfahrens,[2] obwohl Umgangsregelungen beispielsweise auch nach einer Unterbringung des Kindes wegen einer Kindeswohlgefährdung (§§ 1666, 1666a BGB) oder nach einer Rückführung des Kindes in den Elternhaushalt (§ 1632 Abs. 4 i.V.m. § 1685 BGB) getroffen werden.[3]

Das Wohl des Kindes ist der zentrale Maßstab für jede familiengerichtliche Entscheidung.[4] Um ihn gebührend zu berücksichtigen, hat die familiengerichtliche Praxis stets darauf zu achten, dass auch das Umgangsrecht dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt.[5] Das in § 1684 Abs. 1 BGB normierte Recht des Kindes[6] zum Umgang mit jedem Elternteil fällt in den Schutzbereich des Art. 1 Abs. 1 GG[7] (das der Eltern in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG). Darüber hinaus hat der Staat durch die ihm durch Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG zugebilligten "Wächteraufgaben" (Wächteramt des Staates) sicherzustellen, dass umgangsrechtliche Regelungen nach den Prinzipien des Kindeswohls getroffen werden und das Wohl des Kindes nicht gefährdet wird. Das Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beinhaltet u.a., dass das Kind einen Rechtsanspruch auf Kontakt zu beiden Eltern hat.[8]

Dieser Auffassung trägt ebenso Art. 9 Abs. 3 UN-KRK Rechnung.[9] Danach gehört zum Wohl des Kindes i.d.R. der Umgang mit beiden Eltern. Auch in Art. 24 Abs. 3 Charta der Grundrechte der EU ist geregelt, dass jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Eltern hat, es sei denn, dies steht dem Wohl des Kindes entgegen. Europarechtlich ist Art. 8 Abs. 1 EMRK bedeutsam, da der dort normierte Schutz des Rechts jeder Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens auch das Umgangsrecht umfasst.

Zunächst gilt, dass dieser Grundrechtsschutz auch durch die Gestaltung des Verfahrens selbst sichergestellt werden muss.[10] Darüber hinaus hat der Staat für umgangsrechtliche Verfahren in materiell-rechtlicher Hinsicht normative Regelungen zu schaffen, die eine grundrechtliche Stellung des betroffenen Kindes und dessen Eltern garantieren.

[2] Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.2, 2014.
[3] Vgl. auch Balloff, Kinder vor dem Familiengericht, 2. Aufl. 2015, S. 220: Hier werden auch noch Kinder in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften, Leihmütter, Eizellenspenderinnen und Samenspender erwähnt.
[4] OLG München FamRZ 1978, 614; OLG Naumburg JAmt 2002, 32, 33; Balloff, Kinder vor dem Familiengericht, 2. Aufl. 2015, S. 220.
[5] BVerfG FamRZ 1993, 662, 663 = NJW 1993, 2671.
[6] Balloff, Kinder vor dem Familiengericht, 2. Aufl. 2015, S. 220.
[7] Altrogge, Umgang unter Zwang: Das Recht des Kindes auf Umgang mit den umgangsunwilligen Elternteil, 2007, S. 66.
[8] Altrogge, Umgang unter Zwang: Das Recht des Kindes auf Umgang mit den umgangsunwilligen Elternteil, 2007, S. 67.
[9] Balloff, Kinder vor dem Familiengericht, 2. Aufl. 2015, S. 220.
[10] BVerfG FamRZ 1993, 662, 663 = NJW 1993, 2671; FamRZ 1981, 124, 126 = NJW 1981, 217.

II. Verfahrens- und materiell-rechtliche Grundsätze

Mit § 1684 Abs. 1 BGB (s. ebenso § 18 SGB VIII[11]) hat das KindRG das durch die Verfassung nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützte, subjektive Recht des Kindes auf Umgang mit seinen Eltern und deren Pflicht zum Umgang mit ihrem Kind ausdrücklich im Familienrecht geregelt.

Aus der Sicherstellung des Grundrechtsschutzes durch die Gestaltung des Verfahrens folgt, dass die Familiengerichte ihr Verfahren so zu gestalten haben, dass sie möglichst zuverlässig die Grundlage einer am Kindeswohl orientierten Entscheidung erkennen können.[12] Sie müssen alle Möglichkeiten zur Aufklärung des Kindeswohls und der Interessenlage beider Elternteile nutzen.

Hierzu gehört die Einholung von Auskünften von Betreuungspersonen, etwa Berichte aus der Kindertagesstätte, der Schule und von den Personen, die an der Betreuung des betroffenen Kindes mitwirken,...

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