Der gesetzgeberische Regelungsspielraum bei der Schaffung von Rechtsgrundlagen für die Vaterschaftsfeststellung oder Abstammungsklärung ist durch gegenläufige Grundrechte der Personen begrenzt, die durch ein entsprechendes Verfahren beeinträchtigt werden.
1. Persönlichkeitsrecht der Mutter aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Durch die Aufklärung der tatsächlichen leiblichen Vaterschaft kann zumindest mittelbar das Persönlichkeitsrecht der Mutter aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berührt sein. Als Ausprägung des Schutzes der Privat- und Intimsphäre besteht ein verfassungsrechtliches Recht, geschlechtliche Beziehungen nicht offenbaren zu müssen, sondern selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt.
2. Rechte des potenziellen biologischen Vaters
a) Informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Durch einen Abstammungsklärungsanspruch ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG des Mannes, dessen leibliche Vaterschaft gegen seinen Willen durch DNA-Analyse geklärt werden soll, betroffen. Es schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Auch – negativ – besteht Schutz vor aufgedrängten Informationen. Das negative Selbstbestimmungsrecht gewährt ein Recht auf Nichtwissen im Hinblick auf bestimmte personale Informationen, die bewusst nicht aufgedeckt werden sollen (z.B. genetische Anlagen im Hinblick auf später möglicherweise ausbrechende Krankheiten). Aufgedrängte Informationen können unter Umständen die Lebensführung oder -planung erheblich beeinträchtigen, so dass einem Individuum entsprechender Schutz zu gewährleisten ist. Zu diesen grundrechtlich geschützten Daten gehören auch solche, die Informationen über genetische Merkmale einer Person enthalten, aus denen sich in Abgleich mit den Daten einer anderen Person Rückschlüsse auf die Abstammung ziehen lassen.
Aus dieser negativen Komponente des Selbstbestimmungsrechts folgen daher Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen sowie die Verpflichtung des Staates, dort mit schützenden gesetzlichen Regelungen zu intervenieren, wo individuelle Freiheitsspielräume durch das Handeln Dritter übermäßig eingeschränkt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Beeinträchtigung nicht rückgängig gemacht werden kann. Sie erledigt sich auch nicht von selbst, wenn sich herausstellt, dass der Mann nicht der leibliche Vater ist.
b) Körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG
Daneben geht mit der für die Abstammungsklärung erforderlichen Untersuchung ein ebenfalls nicht reversibler, allerdings geringfügiger Eingriff in das Recht des zur Mitwirkung verpflichteten Mannes auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) einher.
c) Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Ferner kann sich auch der Mann (ebenso wie die Mutter), dessen leibliche Vaterschaft gegen seinen Willen festgestellt werden soll, auf das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre, respektive darauf berufen, geschlechtliche Beziehungen nicht offenbaren zu müssen.
3. Recht auf Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG
Darüber hinaus kann die Abstammungsklärung den zur Mitwirkung verpflichteten Mann und seine Familie in ihrem durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Familienleben beeinträchtigen. In das zu schützende Familienleben wird bereits eingegriffen, wenn im Raum steht, dass es möglicherweise einen weiteren Abkömmling gibt. Das gilt unabhängig davon, ob sich der Verdacht durch die Abstammungsuntersuchung im Nachhinein bestätigt oder nicht. Selbst bei negativem Ausgang der Abstammungsklärung ist der Eingriff in das Familienleben nicht vollständig reversibel. Die Belastung wird intensiviert, wenn sich eine weitere Vaterschaft im Abstammungsklärungsverfahren als gegeben erweist.