Der Anwalt muss also ungeachtet einer etwaigen Rechtsmittelbelehrung immer wissen, wo und in welcher Frist er das Rechtsmittel – also in der Regel die Beschwerde, in Altfällen aber ggf. die Berufung – einzulegen hat. Am besten liest der Anwalt die Belehrung gar nicht, um nicht in die Irre geführt zu werden; viele Gerichte sind mit der Rechtsbehelfsbelehrung immer noch deutlich überfordert. Leider hat es sich jedoch immer noch nicht bis zu jedem Anwalt herumgesprochen, dass – anders als die Berufung in Altfällen und sonst im Zivilrecht – die Beschwerde beim Amtsgericht als Ausgangsgericht einzulegen ist. Nicht selten wird die Beschwerde daher auch aktuell noch beim OLG als Beschwerdegericht eingereicht.
Wenn für das Beschwerdegericht ohne Weiteres erkennbar ist, dass die Beschwerde eigentlich an das Amtsgericht zu richten gewesen wäre – wie wohl grundsätzlich immer –, hat das OLG den Schriftsatz im ordentlichen Geschäftsgang an das Amtsgericht weiterzuleiten. Geschieht dies jedoch nicht in gebotener Zeit und geht daher die Beschwerde erst nach Fristablauf beim Amtsgericht ein, so ist laut BGH Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn bei zügiger Weiterleitung von Gericht zu Gericht die Frist noch gewahrt worden wäre. Der Anwalt sollte also, wenn er die Beschwerde einige Tage vor Fristablauf zum OLG statt zum Amtsgericht eingelegt hatte, auf jeden Fall einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und nicht etwa sogleich in vorauseilendem Gehorsam die Beschwerde zurücknehmen.
Die gleiche Pflicht zur Weiterleitung des Schriftsatzes trifft laut BGH umgekehrt das Amtsgericht, wenn fälschlich dort die Beschwerdebegründung eingeht, die ja nun wiederum richtigerweise an das OLG zu richten gewesen wäre. Auch hier kann dem Anwalt nur dringend geraten werden, Wiedereinsetzung zu beantragen, wenn er die Begründungsfrist nicht bis zuletzt ausgeschöpft hatte und bei zügiger Weiterleitung zwischen den Gerichten ggf. die Frist hätte gewahrt werden können.
Die Wiedereinsetzungsfrist bei Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beträgt übrigens entgegen dem Gesetzeswortlaut (§ 18 Abs. 1 FamFG – zwei Wochen) einen Monat. Der BGH führt aus, dass hier Gleiches gelten muss wie bei den Rechtsmittelbegründungsfristen nach ZPO (§ 234 Abs. 1 S. 2 ZPO) – dort auch ein Monat.
Der Anwalt sollte in diesem Zusammenhang beherzigen, dass er verpflichtet ist, die Berechnung und Notierung der Beschwerdebegründungsfrist (durch sein Personal) zu überprüfen, wenn ihm die Akte zwecks Einlegung der Beschwerde vorgelegt wird. Ansonsten stünde eigenes anwaltliches Verschulden einer Wiedereinsetzung entgegen. Der BGH stellt klar, dass diese ständige Rechtsprechung auch im Rahmen des FamFG gilt.