Art. 111 FGG-RG ordnet an, dass auf Verfahren, die vor dem 1.9.2009 eingeleitet wurden, weiterhin altes Verfahrensrecht anzuwenden ist, also ZPO bzw. FGG. Dass zum "Verfahren" hier auch die sämtlichen Instanzen einer Angelegenheit gehören, hat der BGH recht bald klargestellt, nachdem es anfangs enorme Unsicherheit, sowohl in der Anwaltschaft als auch auf Seiten der Gerichte, gab.
In einer weiteren Entscheidung weist der BGH darauf hin, dass ein Irrtum des Anwalts darüber, ob im konkreten Fall altes oder neues Recht anzuwenden ist, jedenfalls dann nicht unverschuldet ist, wenn er die herrschende Meinung in der Literatur und eine sich anschließende erste OLG-Entscheidung ignoriert und gegenteilig verfährt. Der Anwalt hat den sog. sichersten Weg zu beschreiten, wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, und das bedeutet eben letztlich, sich an der überwiegenden Meinung, über die der Anwalt sich anhand der einschlägigen Fachliteratur informieren muss, zu orientieren. Die Befassung mit Mindermeinungen ist in der Rechtspraxis nicht nur nicht gefragt, sondern sogar haftungsträchtig.
Wird zu einem nach altem Recht eingeleiteten Verfahren nach dem 31.8.2009 eine Widerklage erhoben, gilt auch insoweit das alte Recht, wie der BGH klarstellt. Natürlich bilden Klage und Widerklage eine verfahrenstechnische Einheit; es ist einheitlich zu entscheiden. Schon rein praktisch könnte man hier nicht in zwei Verfahrensordnungen nebeneinander agieren.
Dagegen gehört das Vollstreckungsverfahren nach § 89 FamFG laut BGH nicht mehr zu dem alten Verfahren i.S.v. Art. 111 FGG-RG. Auch dies widerspricht Praktikabilitätserwägungen nicht.
Von solchen Einzelfragen abgesehen, kann der Anwalt in langwierigen Verfahren im Lauf der Zeit leicht aus den Augen verlieren, ob bzw. dass das Verfahren seinen Anfang noch vor dem 1.9.2009 genommen hatte. Das permanente Nebeneinander von Verfahren nach altem und nach neuem Recht ist irritierend. Den Gerichten geht es allerdings auch nicht besser. Immer häufiger kam und kommt es vor, dass in Verfahren nach altem Verfahrensrecht Beschlüsse ergehen statt Urteile. Damit steht der Anwalt vor der Frage, welches das richtige Rechtsmittel gegen die an sich formal falsche Entscheidung ist.
Hatte zunächst beispielsweise das OLG Schleswig versucht, in einer solchen Situation die Verantwortung für das richtige weitere Vorgehen allein auf den Anwalt abzuwälzen, hat aber inzwischen der BGH klargestellt, dass die Partei – und damit natürlich auch der Anwalt – in den Genuss des sog. Meistbegünstigungsprinzips kommt: Es kann entweder dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden, das statthaft wäre, wenn die Entscheidung korrekt ergangen und bezeichnet worden wäre, es kann aber auch dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden, welches gegen die fälschlich gewählte Entscheidungsart statthaft ist.
Erlässt also das Amtsgericht in einem Verfahren nach altem Recht einen Beschluss, den es als Beschluss bezeichnet und ggf. auch mit einer entsprechenden Rechtsbehelfsbelehrung versieht, so kann der Anwalt dagegen entweder Beschwerde zum Amtsgericht oder Berufung zum OLG einlegen. Der Anwalt muss sich aber bei dem von ihm gewählten Rechtsmittel an die jeweils geltenden Formalien halten; er kann also nicht beispielsweise die Berufung fristwahrend beim Amtsgericht einlegen.