Einführung
Der Beitrag gibt eine Übersicht über die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung in den für Anwälte haftungsträchtigen Bereichen des Familienrechts, insbesondere vor dem Hintergrund der jüngsten Gesetzesänderungen, welche inzwischen Niederschlag in der Rechtsprechung gefunden haben.
Erfreulicherweise haben die gesetzlichen Neuerungen nicht nur neue Haftungsgefahren mit sich gebracht, sondern auch frühere Haftungsschwerpunkte entschärft: Die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs ist nicht mehr als Stichtagsverjährung geregelt, sondern als Jahresendverjährung; § 1378 Abs. 4 BGB a.F. ist seit 1.1.2010 aufgehoben; jetzt gelten §§ 195,199 BGB.
Insgesamt hat eine Verlagerung der Haftungsgefahren stattgefunden, die absoluten Haftungsschwerpunkte liegen aktuell beim nachehelichen Unterhalt und im Verfahrensrecht.
I. Haftungsgefahren beim Trennungsunterhalt
Regressfälle im Bereich Trennungsunterhalt sind wesentlich seltener als Regressfälle zum nachehelichen Unterhalt. Dies spiegelt sich letztlich auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wider. Höchstrichterliche Rechtsprechung, aus der sich konkrete Verhaltensanforderungen an den Anwalt ergeben, ist in diesem Bereich eher rar.
1. Altersvorsorgeunterhalt
Das OLG Düsseldorf verlangt mit Beschluss vom 9.6.2009 vom Anwalt, dass er bei der Geltendmachung von Trennungsunterhalt auch an den Altersvorsorgeunterhalt denken muss. In diesem Fall hatte die Mandantin dem Anwalt lediglich den Auftrag erteilt, für sie den laufenden Trennungsunterhalt geltend zu machen und schließlich einzuklagen. Hinsichtlich des Altersvorsorgeunterhalts hatte sie dem Anwalt keinen Auftrag erteilt, da sie gar nicht wusste, dass ihr ein solcher auch zustand. Das OLG Düsseldorf stellt fest, dass es angesichts ständiger BGH-Rechtsprechung zu den umfassenden Belehrungspflichten des Anwalts natürlich auch anwaltliche Pflicht ist, der Mandantin überhaupt die Information zu erteilen, dass sie neben dem Elementarunterhalt einen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt hat. Erst wenn die Mandantin über dieses Wissen verfügt, kann sie bewusst eine Entscheidung darüber treffen, ob der Altersvorsorgeunterhalt auch geltend gemacht werden soll oder nicht und den Anwalt entsprechend beauftragen.
2. Überzahlung/ungerechtfertigte Bereicherung
Das OLG Koblenz hat mit Urteil vom 25.3.2009 klargestellt, wie im Falle einer Überzahlung von Unterhalt hinsichtlich der Rückforderung prozessual vorzugehen ist. Soll ein gerichtlicher Vergleich über Unterhalt angefochten werden, z.B. wegen Verschweigens von Einkünften des Unterhaltsberechtigten, und die Unwirksamkeit des Vergleiches festgestellt werden, so ist dies in dem Ausgangsverfahren, in dem ursprünglich der Vergleich geschlossen worden war, geltend zu machen, das Ausgangsverfahren also fortzusetzen. Auch Schadenersatzansprüche bzw. Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung hinsichtlich zu Unrecht geleisteter Unterhaltszahlungen sind sogleich in diesem Ausgangsverfahren geltend zu machen. Der Unterhaltsverpflichtete ist nicht berechtigt, diese Ansprüche erst nach Abschluss des Ausgangsverfahrens in einem isolierten Prozess zu verfolgen. Das OLG Koblenz meint nämlich, dass für ein solches gesondertes Verfahren das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Beachtet der Anwalt dies nicht, wäre die Folge, dass zum einen ein sinnloser Prozess mit entsprechender Kostenfolge geführt würde und zum anderen der überzahlte Unterhalt nicht mehr zu erlangen wäre.
II. Haftungsgefahren beim nachehelichen Unterhalt
Zu haftungsrechtlichen Dauerbrennern haben sich die Themen "Befristung des Unterhaltsanspruchs" und "Abänderung von Unterhaltstiteln" entwickelt, wobei in den meisten Fällen beide Probleme eng miteinander verbunden sind. Im Rahmen der Abänderung ist zudem streng zu unterscheiden danach, ob es sich bei dem Alttitel um einen Vergleich oder um eine gerichtliche Entscheidung handelt, da die Hürden der Abänderung hier jeweils unterschiedlich hoch sind. Darüber hinaus befassen sich einige Entscheidungen mit den Darlegungspflichten des Anwalts.
1. Expliziter Antrag auf Befristung des Unterhalts
Das OLG Düsseldorf verlangt, dass der Anwalt in einem Rechtsstreit um nachehelichen Unterhalt nach dem Grundsatz des sichersten Weges die in Betracht kommende Befristung des Anspruchs ausdrücklich geltend macht, obwohl das Gericht eigentlich aufgrund des Klageabweisungsantrags des Anwalts von sich aus eine Befristung zu erwägen hätte. Ein etwaiges Versäumnis des Gerichts, das nicht von sich aus eine Befristung in Erwägung gezogen hat, geht grundsätzlich allein zu Lasten des Anwalts. In dem vorangegangenen Unterhaltsprozess hatte der Anwalt auf die Klage der Unterhaltsberechtigten hin für den Unterhaltsschuldner ausschließlich Klageabweisung beantragt, davon ausgehend, dass die Klägerin für ihren Unterhalt ohne Probleme selbst sorgen könne, da sie bereits während der kinderlosen Ehe ausreichendes eigenes Einkommen erzielte und die Tätigkeit weiterhin ausübte. Einen hilfsweisen Antrag auf Befristung eines Unterhaltsanspruchs der Klägerin hatte der Anwalt des Beklagten überhaupt nicht in Betrach...