Selbst wenn solche Impulse wirksam werden sollten, so könnten wir doch nach Lage und Stimmung in unserer Gesellschaft nicht mit einer grundlegenden Änderung der unterhaltsrechtlichen Szenerie rechnen. Dem gesellschaftlichen Bewusstsein unserer Zeit ist die Idee, dass eine erwachsene erwerbsfähige Person von der Last, gegen Entgelt zu arbeiten, ganz oder teilweise befreit ist und ihren Lebensunterhalt von einer anderen empfängt, zuwider. Diese Abneigung wirkt offenbar auch dann, wenn durch den Verzicht auf Erwerbsarbeit die Betreuung von Kindern ermöglicht werden soll. Wir sind, wie gesagt wird, eine "Arbeitsgesellschaft". Wer nicht für seinen Erwerb arbeitet, ist Außenseiter. Der Wert des Menschen wird außerhalb einer reich gewordenen Oberschicht durch seinen beruflichen Standard definiert. Hausarbeit und Kindesbetreuung sind nach gemeiner Vorstellung erst dann ein Beruf, wenn diese Tätigkeiten gegen Bezahlung für andere Familien ausgeübt werden. Diese Grundstimmung wird voraussichtlich anhalten.
Sie wird von der allgemeinen sozialen Entwicklung unterstützt, die für viele Menschen darauf hinausläuft, dass aus einem Einkommen im Prinzip auch nur eine Person ernährt werden kann. Das zeigt auch ein Blick auf die Zunahme der so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnisse wie Minijob, Zeitarbeit usw. Der Trend geht hin zu einem Arbeitsbienenstaat, in dem die Arbeitsbiene als Entgelt für ihren vollschichtigen Einsatz panem et circenses erhält, modern gesprochen: die Mittel für ein Leben auf dem Existenzminimum und als Ausgleich Unterhaltung durch die Medien, "Brot und Gottschalk" sozusagen, oder – für die Freunde des bezahlten Fußballs – "Pommes und Ballack".
Die Existenz von Kindern bringt bereits Bezieher von Durchschnittseinkommen in Ballungsgebieten in Schwierigkeiten. Vielfach kann ein Paar sich Kinder von vornherein nur leisten, wenn beide Eltern ganztätig zur Erwerbsarbeit gehen. Die forcierten Bemühungen um die öffentliche Ganztagsverwahrung auch der unter drei Jahre alten Kinder wollen offenbar auch den gegebenen ökonomischen Verhältnissen Rechnung tragen, auch wenn sie mit einer qualitativen Propagierung beruflich ausgeübter Kindesbetreuung einhergehen.
Darüber, ob das von Geburt an fremdbetreute Kind das Ideal sein sollte, wird man streiten können. Von den Eltern selbst wird es weithin bezweifelt. Tatsache ist, dass – wo immer das ökonomisch möglich ist – mit der Geburt eines Kindes einer der Elternteile seine Berufstätigkeit zurückfährt. Weit überwiegend ist auch heute noch die Mutter, wie ein Blick den Datenreport 2011 des Statistischen Bundesamtes zeigt.
Das wirtschaftliche und berufliche Risiko, das damit verbunden ist, Kinder zu haben und zu erziehen, bleibt in der Regel bei den Frauen. Schon während der Partnerschaft ist es meist die Frau, die beruflich zurücksteckt, nicht weil sie faul ist, sondern aufgrund eines Übereinkommens mit dem Mann, der üblicherweise nicht bereit ist, um der Kinder willen seine Erwerbstätigkeit zu reduzieren. Das ist die heutige Realität. Dagegen wird man einwenden: Das muss nicht sein, man hat im Bekanntenkreis genügend Beispiele, z.B. Richterinnen, bei denen die berühmte Vereinbarkeit von Familie und voller Berufsentfaltung hervorragend klappt. Es gibt ja auch die ideale Partnerschaft, in der nicht nur die Frau, sondern auch der Mann seine Berufstätigkeit einschränkt, um sich gleichverpflichtet den Kindern ausreichend widmen zu können. Das ist die ideale Vereinbarkeit von Familie und Beruf! Nur ist es nicht die typische Realität. Im Jahre 2009 waren bei 74 % der Ehepaare mit Kindern der Vater vollzeit- und die Mutter teilzeitbeschäftigt, und das alles trotz Krabbelstuben, Kindertagesstätten und Schulen, und das alles auch vor einer Trennung, in einer Situation also, in welcher der Vater die Kindesbetreuung unterstützen kann. Dieser statistische Befund hat seinen sachlichen Grund im praktischen Leben: Selbst in der funktionierenden Paarbeziehung erledigt sich die Erziehung der Kinder nicht "nebenbei".
Das Risiko für die Frauen verwirklicht sich dann in bitterer Weise, wenn die Paarbeziehung in die Brüche geht. Dann wird den Müttern, wenn sie nach der Scheidung mit den Kindern zusammenleben, grundsätzlich zugemutet, die Betreuung und Organisation des Lebens der Kinder zu leisten, einen Mehrpersonenhaushalt zu führen und zudem – nach BGH – im normativen Regelfall voll berufstätig zu sein, sobald die Kinder das dritte Lebensjahr vollendet haben.