Der nächste Indikator für auf- oder absteigende Tendenzen bildet die Handhabung der neuen Billigkeitsklausel des § 1578b BGB. Diese wird von der Rechtsprechung zunehmend extensiv genutzt, um tatbestandlich begründete Unterhaltsansprüche zu mindern und zu befristen.
Für die Übergangsfälle ist ein schmerzlicher Punkt die Auffassung des BGH, die Änderung seiner eigenen Rechtsprechung zu der schon vor 2008 möglichen Herabsetzung und Befristung von Unterhalt unterliege nicht der Vertrauensschutzklausel des § 36 Nr. 1 EGZPO. Dem kann man entgegnen, dass schon durch die Änderung der für den Scheidungsunterhalt grundlegenden Bestimmung des § 1569 BGB und durch die Gesamtheit der strukturellen Veränderungen, die vom Gesetzgeber plakativ angepriesen wurden, auch für die Herabsetzungen und Befristungen, die nach altem Recht schon möglich gewesen wären, eine neue Lage entstanden ist.
Abgesehen davon läuft die Anwendung des § 1578b BGB darauf hinaus, dass der Unterhaltsberechtigte, um den Unterhalt ungeschmälert zu retten, letztlich darlegen und beweisen muss, dass sein jetziges Unvermögen, sich selbst zu unterhalten, ehebedingt ist, insbesondere auf der Aufgabenverteilung in der Ehe beruht. Das wird erreicht durch die Figur der "sekundären Beweislast": Zwar trägt der Unterhaltspflichtige grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für Tatsachen, die zu einer Befristung oder Absenkung des Anspruchs führen können. Doch schon, wenn der Verpflichtete geltend macht, dass es keine ehebedingten Nachteile gäbe, dreht sich der Spieß um; nun liegt es am Verpflichteten, diese Behauptung substanziiert zu bestreiten und darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile ihm entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden.
Der Darstellung ehebedingter Nachteile wohnt ein spekulatives Element inne: Zu vergleichen ist eine Realität mit einer Fiktion (was wäre gewesen, wenn wir nicht geheiratet hätten, keine Kinder gehabt hätten, uns beide gleich viel um die Kinder gekümmert hätten?, etc.). Die irreale Alternativszenerie überzeugend darzustellen, ist in einer Zeit, in der die Fixierung auf bestimmte in der Ausbildung angelegte Berufskarrieren schwindet ("Flexibilisierung"! "Dynamisierung"!) nicht einfach. Wer weiß, wohin sich das Leben der einstigen Studentin für Kunstgeschichte gewendet hätte, wenn sie nicht auf die unglückliche Idee gekommen wäre, zu heiraten, Kinder zu haben, und dazu einen Mann, der erwartet, dass sie Haus und Kinder pflegt und das Dekorum für seine Geschäftsbeziehungen bildet, um hinterher vielleicht zu sagen: "Aus Dir wäre sowieso nichts geworden"? Die Schere der Möglichkeiten öffnet sich zwischen der Existenz als Langzeitarbeitslose und als Spitzenmanagerin – was kann man da "substanziiert darlegen"?
So oder so ist § 1578b BGB ein effektiver Hebel, um Unterhaltsansprüche zu beschneiden. Auch wenn der BGH außer der Frage der ehebedingten Nachteile auch sonstige Gesichtpunkte der nachehelichen Solidarität in die Billigkeit einfließen lässt, verstärkt die Rechtsprechung insgesamt gesehen die unterhaltsmindernde Tendenz.