Das gilt auch für den nächsten Indikator, die grobe Unbilligkeitsklausel des § 1579 BGB. Im Vordergrund steht die durch die Reform 2008 eingefügte Nr. 2: "verfestigte Lebensgemeinschaft". Die Aufnahme einer neuen Paarbeziehung durch den Unterhaltsempfänger bedrohte zwar aufgrund einer komplizierten BGH-Rechtsprechung schon vor der Reform dessen nachehelichen Unterhalt. Nun aber bietet der neue eigenständige Härtegrund einer "verfestigten Lebensgemeinschaft" einen weniger komplizierten Zugriff. Es gehe, sagt der BGH, um rein objektive Gegebenheiten – auf die Leistungsfähigkeit des neuen Partners komme es allerdings, obschon ein objektives Element, nicht an. Entscheidend sei darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte neue Lebensgemeinschaft eingegangen sei, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöse und zu erkennen gebe, dass er diese nicht mehr benötige. Dazu sei die Führung eines gemeinsamen Haushalts nicht unbedingt nötig, es genüge ein sonstiges "Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit". Einem Wiederaufleben der Unterhaltsberechtigung nach Scheitern der neuen Beziehung sind enge Grenzen gesetzt, in der Regel kommt es nur beim Betreuungsunterhalt infrage.
Ob der Härtegrund in dieser weiten Auslegung vom Sinn des nachehelichen Unterhalts getragen wird, kann bezweifelt werden. Wir dürften uns darüber einig sein, dass einem Geschiedenen, der Unterhalt empfängt, weder sexuelle noch soziale Enthaltsamkeit zugemutet werden soll. Der nacheheliche Unterhalt ist kein Preis für nacheheliche Treue, sondern Form einer gerechten Folgenverteilung des gescheiterten gemeinsamen Projekts "Ehe". Die Frage ist dann: Was hat es mit der nachehelichen Solidarität zu tun, wenn sich der Unterhaltsempfänger nicht der libido vaga hingibt, sondern nach neubürgerlicher Sitte eine dauerhafte Beziehung aufnimmt? Wieso kann angenommen werden, dass er dadurch – sozusagen durch Vermeidung einer bloßen Abfolge von One-Night-Stands – sich endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr benötigt? Gewiss kann durch einen neuen gemeinsamen Haushalt der Bedarf sinken. Kann aber, wie der BGH es formuliert, allein schon von der Aufnahme einer auf Dauer angelegten Partnerbeziehung von einem "Lösen aus der ehelichen Solidarität" die Rede sein? Eine eheliche Solidarität gibt es nach der Scheidung nicht mehr. Ferner: Wenn der Betreuungsunterhalt primär um der Kinder willen gegeben ist – wieso können die Kinder dann benachteiligt werden, nur weil ihre Mutter einen neuen Lebensgefährten findet?
Es fällt überdies auf, dass der BGH in einer Entscheidung zur Billigkeitswertung nach § 1578b BGB schon den Umstand, dass die geschiedene Ehefrau ein "intimes Verhältnis" unterhielt, als Argument für die "zunehmende Entflechtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse" in Ansatz bringt. Also auch jenseits der "verfestigten Lebensgemeinschaft" droht dem Unterhaltsempfänger bei Sexualleben der Unterhaltsentzug.