Der letzte Indikator, der befragt werden soll, betrifft die Diskrepanzen beim Unterhalt für die Betreuung von Kindern aus geschiedener Ehe und von nichtehelichen Kindern, also die Unterschiede zwischen den Regelungen der §§ 1570 und 1615l BGB, auf die ich schon im Jahre 2007 versucht hatte, die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers zu lenken. Dass die Unterhaltsrechtsreform in diesem Punkt misslungen ist, kann unter Kennern keinem Zweifel unterliegen. Das Gesetz von 2008 hat den Betreuungsunterhalt nichtehelicher Eltern nur in einem einzelnen Punkt ins Auge gefasst, nämlich dem Element der Zeit. Das übrige Gefüge des Anspruchs blieb ungeprüft stehen. Das führt zu Unterschieden zu Lasten des Betreuungsunterhalts geschiedener Mütter, weil § 1615l BGB für weitere Modalitäten des Anspruchs pauschal auf die Vorschriften des Verwandtenunterhalts verweist (§ 1615l Abs. 3 S. 1 BGB).
So kann die nichteheliche Mutter (entsprechend der Vater) auf ihren Unterhaltsanspruch kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung für die Zukunft nicht verzichten (§ 1614 Abs. 1 i.V.m. § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB), während für die geschiedene Mutter grundsätzlich Vertragsfreiheit besteht, deren richterliche Kontrolle im Rückzug begriffen ist. Der Unterschied ist eklatant: Beim Verzicht der nichtehelichen Mutter werden keine schwierigen Erwägungen über eine mögliche Dominanz des Vaters bei den Vertragsverhandlungen und über eine ungleiche Lastenverteilung angestellt – sobald eine vertragliche Abrede unter den Begriffs des "Verzichts für die Zukunft" fällt, ist die Sache entschieden und die Vereinbarung wegen Gesetzeswidrigkeit nichtig (§ 134 BGB). Damit wird der nichtehelichen Mutter ein viel effektiverer Schutz gegen Übervorteilung gewährt, als es die gleitende Beurteilung von Eheverträgen nach variablen Elementen der Sitten- oder Treuwidrigkeit bieten kann.
Die Mutter eines nichtehelichen Kindes ist auch in anderer Beziehung besser gestellt als die geschiedene Mutter, deren Unterhaltsberechtigung umfangreiche Härteklauseln entgegenstehen. Dem Anspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes kann nur die Klausel des § 1611 Abs. 1 BGB entgegengehalten werden: Bedürftigkeit durch sittliches Verschulden, eigene grobe Verletzungen der Unterhaltspflicht, schwere vorsätzliche Verfehlungen gegen den Verpflichteten und seine nahen Angehörigen – sonst nichts. Nun müssen die Härteklauseln nicht identisch sein, weil in dem einen Fall eheliche Pflichten verletzt werden können, in dem anderen nicht, doch zeigt sich die unhaltbare Diskrepanz schon darin, dass dem Geschiedenenunterhalt eine Generalklausel entgegensteht (§ 1579 Nr. 8 BGB), dem Unterhalt nach § 1615l BGB hingegen nur einige wenige Spezialtatbestände.
Und geradezu absurd erscheint es, dass für den Betreuungsunterhalt des Vaters eines nichtehelichen Kindes nicht die zeitliche Limitierung gilt, die für den Betreuungsunterhalt der Mütter vorgesehen ist: § 1615l Abs. 4 BGB verweist zwar auf Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift, aber nicht auf die Sätze 3 bis 5. Ein Redaktionsversehen liegt nicht vor: Der Gesetzgeber war, wie oben gezeigt, rechtzeitig vor der letzten Reform über den schon lange mitgeschleppten Webfehler des Gesetzes unterrichtet. Oder gibt es bewusste Redaktionsfehler?