Nach Ansicht des BGH kann der Selbstbehalt des unterhaltspflichtigen Kindes gegenüber seinen Eltern nicht losgelöst von der Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und dem sozialen Rang des Pflichtigen entspricht, bestimmt und deshalb nicht durchgehend mit einem festen Betrag angesetzt werden. Er ist vielmehr vom Tatrichter nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse zu ermitteln, wobei ein Mindesteigenbedarf nicht unterschritten werden darf. Dabei ist auch bei der Leistungsfähigkeit zu beachten, dass der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt ein rechtlich vergleichsweise schwach ausgestalteter Anspruch zugrunde liegt (vgl. § 1609 Nr. 6 BGB), ferner, dass sich das Kind in den meisten Fällen in seiner Lebensplanung nicht auf eine Unterhaltsleistung an seine Eltern eingestellt hat und über Steuern und Sozialabgaben bereits zum Einkommen der älteren Generation beiträgt. Deshalb hat dem Pflichtigen nach BGH zusätzlich die Hälfte der Differenz zwischen Selbstbehalt und bereinigtem Nettoeinkommen zu verbleiben. Dem sind alle Leitlinien in Ziff. 21.3 nachgekommen, indem sie beim Elternunterhalt nur noch Mindestselbstbehaltssätze festsetzen zuzüglich 50 % der Differenz zum bereinigten Nettoeinkommen.
Der Mindestselbstbehalt für die Leistungsfähigkeit des Kindes beträgt ab 1.1.2013 nach der DT und den Leitlinien Nr. 21.3: 1.600 EUR.
Nach BGH bestehen keine Bedenken, den Betrag einheitlich festzusetzen und nicht zwischen Erwerbs- und Nichterwerbstätigen zu differenzieren. In diesem Betrag sind jeweils Kosten für Unterkunft und Heizung von 450 EUR enthalten. Bei höheren Wohnkosten ist der Selbstbehalt entsprechend heraufzusetzen. Ein Umzug des Pflichtigen in eine billigere Wohnung ist beim Elternunterhalt regelmäßig unzumutbar. Hat der Pflichtige dagegen geringere Mietkosten, berechtigt dies nicht zur Kürzung seines Selbstbehalts, da es ihm überlassen bleibt, wie er seine Geldmittel verwendet.
Durch die Erhöhung des Mindestbetrags um die Hälfte der Differenz zum bereinigten Nettoeinkommen des Pflichtigen werden bei durchschnittlichen Einkünften und normaler Lebensstellung in den meisten Fällen die Belange des Pflichtigen in ausreichendem Maße berücksichtigt, zumal bei der Bereinigung des Nettoeinkommens ein großzügiger Maßstab angebracht ist. Der Selbstbehalt kann dann im Ergebnis wie bisher pauschaliert festgesetzt werden.
Beispiel 1:
Das bereinigte Nettoeinkommen des Pflichtigen 2.000 EUR. →
der Selbstbehalt beläuft sich auf 1.800 (1.600 + ½ (2.000 – 1.600)) →
Pflichtiger hat (2.000 – 1.800) = 200 EUR einzusetzen.
Im Einzelfall wird man den Selbstbehalt aber noch weiter erhöhen müssen, z.B. bei besonderen Belastungen des Pflichtigen, einer sehr gehobenen Lebensstellung usw. Bei einer durchschnittlichen Sparquote in der BRD von ca. 10 % des verfügbaren Einkommens ist zu beachten, dass die Mittel, die der Vermögensbildung dienen, dem Unterhalt nicht vorgehen. Sie sind daher auf jeden Fall für den Elternunterhalt einzusetzen, es sei denn, die Vermögensbildung beruht auf der Finanzierung des Familienheimes oder der Altersvorsorge, da die Sicherung des eigenen Unterhalts immer der Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Eltern vorgeht.