Der Versuch einer systematischen Darstellung anhand der aktuellen Rechtsprechung und Literatur mit Beispielen
I. Allgemeines
§ 1601 BGB gibt nicht nur den Kindern gegen die Eltern, sondern auch den Eltern gegen das Kind einen lebenslangen Tatbestand für Unterhaltsansprüche. Voraussetzung für einen Unterhaltsanspruch sind hierbei die Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Elternteils (§ 1602 BGB) und Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen Kindes (§ 1603 BGB), welche zeitgleich vorliegen müssen. Da Eltern normalerweise nicht gegen ihre Kinder vorgehen würden, wird der Anspruch zumeist vom Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht (§ 94 Abs. 1 S. 1 SGB XII) geltend gemacht. Der Anspruch ist gegenüber dem Kindesunterhalt wesentlich schwächer ausgestaltet, was der schlechteste Rang gemäß § 1609 Nr. 6 BGB belegt. Die Rechtsprechung hat deshalb im Rahmen der Leistungsfähigkeit die Ansprüche stark eingeschränkt. Für den Unterhaltsanspruch haftet nach § 1608 BGB zunächst immer der Ehegatte vorrangig. Dies gilt auch für den geschiedenen Ehegatten, soweit gegen ihn ein Unterhaltsanspruch besteht (§ 1584 BGB). Hat das Kind eine eigene Lebensstellung, haftet es nach § 1606 Abs. 1 BGB vor den Großeltern für den Anspruch der Eltern, nach § 1606 Abs. 2 BGB haften dabei die Kinder vor den Enkelkindern.
1. Mehrere Unterhaltspflichtige
Mehrere Kinder haften gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Daher sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Geschwister von Bedeutung. Insoweit stellt sich die Frage, wie die Kenntnisse hierüber zu erhalten sind.
2. Darlegungs- und Beweislast und Auskunftsansprüche
a) Darlegungs- und Beweislast
Der bedürftige Elternteil trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine Bedürftigkeit und somit auch für seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Den Unterhaltsschuldner trifft die Darlegungs- und Beweislast für eine von ihm behauptete Leistungsunfähigkeit. Dabei sind alle für eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit erheblichen Tatsachen substantiiert vorzutragen; dazu gehört neben dem eigenen Einkommen auch das Einkommen der anderen Familienmitglieder, der vollständige Bedarf der Familie und der eigene Beitrag hierzu.
b) Auskunftsansprüche der Eltern gegen das Kind und umgekehrt
Den Umfang der Leistungsfähigkeit seiner gleichrangig unterhaltspflichtigen Kinder (§ 1606 Abs. 3 S. 1 BGB) kann der Unterhaltsberechtigte über seinen Auskunfts- und Beleganspruch gemäß § 1605 BGB ermitteln und umgekehrt steht auch dem pflichtigen Kind ein Auskunfts- und Beleganspruch gegen den Unterhaltsberechtigten zu. Nach Reinken sind beim Auskunftsanspruch vor allem folgende Punkte zu klären: Die Einkünfte aus Erwerbsverhältnis sowie Rentenzahlungen aller Art; Leistungen der Pflegeversicherung (§ 37 SGB XI), Kapital- und Mieteinkünfte, sämtliche Ansprüche aus Verträgen (Überlassung von Vorsorgeleistungen, Nießbrauch oder an deren Stelle getretene Geldansprüche; Leistungen für die Kindererziehung (§ 294 SGB VI), Wohngeld, Leistungen der Grundsicherung im Alter und Leistungen der Sozialhilfe; das Einkommen des Ehegatten beziehungsweise des Lebenspartners und das Vermögen, bezogen auf den Beginn des Unterhaltszeitraums.
c) Auskunftsansprüche der Kinder untereinander
Da für die unterhaltspflichtigen Kinder untereinander § 1605 BGB nicht gilt, haben sie jeweils untereinander einen Auskunftsanspruch über § 242 BGB gemäß Treu und Glauben, damit der Umfang der anteiligen Haftung bestimmt werden kann. Nicht umfasst wird jedoch ein Auskunftsanspruch auch gegen die Ehegatten der jeweiligen Geschwister, da es insoweit an einem Rechtsverhältnis fehlt. Allerdings umfasst der Auskunftsanspruch gegen die Geschwister auch die vorhandenen Vermögenswerte, wozu auch die Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ehegatten als den Unterhalt absichernde Vermögenspositionen gehören. Dazu sind die Geschwister auch in der Lage, da getrennt lebende oder geschiedene Ehegatten sich nach §§ 1361 Abs. 4, 1580, 1605 BGB Auskunft zur Feststellung der Unterhaltspflicht schulden – im Rahmen des Familienunterhalts folgt eine solche Verpflichtung aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB in groben Zügen. Eine Vorlage von Belegen und die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung kann aber nicht verlangt werden.