BGB § 1929 Abs. 3 S. 1 § 1712 Abs. 1 Nr. 2 § 1713 Abs. 1 S. 2; FamFG § 234
Leitsatz
Auch bei getrenntlebenden, verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ist eine Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand zur gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt zulässig. (Rn 16)
BGH, Beschl. v. 29.10.2014 – XII ZB 250/14 (OLG Oldenburg, AG Bad Iburg)
1 Gründe:
I. [1] Die minderjährige Antragstellerin begehrt von ihrer Mutter, der Antragsgegnerin, Zahlung von Kindesunterhalt.
[2] Die getrenntlebenden Eltern der Antragstellerin sind verheiratet und üben das gemeinsame Sorgerecht aus. Die Antragstellerin lebt bei ihrem Vater, auf dessen Antrag eine Beistandschaft des Jugendamtes zur Geltendmachung von Kindesunterhalt eingerichtet wurde.
[3] Das Amtsgericht hat den Antrag der vom Jugendamt als Beistand vertretenen Antragstellerin abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II. [4] Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
[5] 1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2014, 1652 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
[6] Der Antrag der Antragstellerin auf Zahlung von Kindesunterhalt sei unzulässig. Sie könne den Anspruch nicht im eigenen Namen, vertreten durch den Beistand, geltend machen. Gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB könne der Kindesunterhalt nur vom Vater im eigenen Namen geltend gemacht werden, weil die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern verheiratet seien und getrennt voneinander lebten. Die Regelung des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB werde nicht von §§ 1714, 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB verdrängt. Zwar könne der Elternteil, der das Kind in Obhut habe, auch bei gemeinsamer Sorge vor der Scheidung eine Beistandschaft nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB beantragen. Dadurch trete allerdings nicht die von der Beschwerde gewünschte Folge ein, nämlich dass das Kind seine Unterhaltsansprüche bei Getrenntleben seiner Eltern im eigenen Namen geltend machen könne. Nicht das Kind, sondern der Elternteil werde Beteiligter im Unterhaltsverfahren. Zweck des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB sei es, das Kind aus dem elterlichen Konflikt über die mit der Trennung verbundenen Auseinandersetzungen, zu denen auch die Geltendmachung des Kindesunterhalts gehöre, herauszuhalten. Die mit § 234 FamFG zugunsten des Beistands entschiedene Vertretungsbefugnis innerhalb des Verfahrens komme danach nicht zum Zuge, denn der Beistand könne nur im Namen des Kindes handeln, nicht aber im Namen des Elternteils. Die durch § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB geschaffene Erweiterung der Beistandschaft auf Kinder, für die ein gemeinsames Sorgerecht bestehe, lasse nicht erkennen, dass damit ein Hineinziehen des Kindes in die elterlichen Auseinandersetzungen gewünscht gewesen sei.
[7] Die Beistandschaft werde für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei gemeinsamem Sorgerecht auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Der Beistand könne außergerichtlich auch in den Fällen des § 1629 Abs. 3 BGB für das Kind tätig werden. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit, bei gemeinsamer elterlicher Sorge nach Scheidung oder in den Fällen nicht verheirateter Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht als Beistand in Unterhaltssachen auch gerichtlich tätig zu werden.
[8] 2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann der Beistand das Kind auch dann in einem Unterhaltsverfahren vertreten, wenn die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegen.
[9] a) Gemäß § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird das Jugendamt auf schriftlichen Antrag eines Elternteils Beistand des Kindes namentlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Antrag von dem Elternteil gestellt werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet, wenn die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam zusteht.
[10] Gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann allerdings ein Elternteil, solange die verheirateten Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen.
[11] b) Weil einerseits § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB eine gesetzliche Verfahrensstandschaft anordnet, § 1716 S. 2 BGB in Verbindung mit § 1915 Abs. 1 S. 1 BGB und § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB andererseits die gesetzliche Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand eröffnet (vgl. auch § 234 FamFG), ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, in welchem Verhältnis § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB zu den §§ 1712 ff. BGB steht.
[12] aa) Nach einer Auffassung, der auch das Beschwerdegericht beigetreten ist, ist die Vertretung durch das Jugendamt als Beistand in Fällen der vorliegenden Art unzulässig, weil § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB anordne, dass das Kind selbst den Anspruch nicht geltend machen dürfe, weshalb es auch nicht von einem Beistand vertreten werden könne. Der Sinn der gesetzlichen Verfahrensstandschaft bestehe darin, die Kinder während der Trennungszeit der Eltern oder einer anhängigen Ehesache aus den Streitigk...