Ein für die Praxis wichtiges Thema ist das Zusammenspiel von Gesamtschuld und Unterhalt. Was ist zu beachten, wenn Gesamtschuld und Ehegattenunterhaltspflicht zusammentreffen?
Bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts wird mit der Gesamtschuld folgendermaßen umgegangen, nehmen wir dabei das Beispiel der Alleinverdienerehe: Der allein verdienende Ehemann trägt die gesamtschuldnerische Belastung. Als eheprägende Verbindlichkeit wird sie von seinem Einkommen abgezogen und von dem dann verbleibenden Betrag erhält die Frau ihre Unterhaltsquote. Sie erhält also einen geringeren Unterhalt, als wenn man die Gesamtschuld nicht vorweg abziehen würde. Das bedeutet: Sie beteiligt sich am Abtrag der Gesamtschuld auf unterhaltsrechtlichem Wege, nämlich durch eine Kürzung ihres Unterhalts.
Wenn es nun ein Unterhaltsurteil, einen Unterhaltsbeschluss oder eine Unterhaltsvereinbarung gibt, in der der Unterhalt der Frau auf diese Weise errechnet worden ist, dann liegt darin eine anderweitige Bestimmung i.S.d. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB, die zur Folge hat, dass die Frau nicht ein weiteres Mal gesondert auf Gesamtschuldnerausgleich in Anspruch genommen werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gesamtschuld sich bei der Unterhaltsberechnung rechnerisch ausgewirkt hat. Normalerweise ist das der Fall, aber Sie müssen es überprüfen. Wenn sich die Gesamtschuld ausnahmsweise nicht rechnerisch ausgewirkt hat, besteht der Anspruch aus § 426 BGB noch, hat sie sich nur teilweise ausgewirkt, besteht noch ein restlicher Anspruch aus § 426 BGB.
Diese Fälle sind relativ unproblematisch. Jetzt stellen wir uns aber folgende Fallgestaltung vor:
Eine einkommenslose Frau bittet Sie, ihren Unterhaltsanspruch zu errechnen. Sie berichtet, dass ihr Mann netto 1.500 EUR verdient und einen gesamtschuldnerischen Kredit mit monatlich 300 EUR abträgt. Was werden Sie tun?
Sie werden der Frau sagen, dass sie keinen Unterhaltsanspruch hat, weil der Mann angesichts der abzugsfähigen Belastung nicht leistungsfähig ist. Nun dürfen Sie aber nicht die Frau mit Bedauern nach Hause schicken. Denn sonst kann Folgendes passieren: Der Mann meldet sich nach einem Jahr oder nach zwei Jahren und sagt: Ich möchte, dass Du mir für das vergangene Jahr, für die vergangenen zwei Jahre die Hälfte der von mir getragenen Kreditbelastung erstattest. Ich bin nach § 426 BGB dazu berechtigt, rückwirkende Erstattung zu verlangen. Wenn die Frau erwidert, sie habe angenommen, sich am Schuldabtrag nicht beteiligen zu müssen, sonst hätte sie Unterhalt verlangt, wird der Mann entgegnen, sie habe ihn nicht zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert.
Dem Ausgleichsverlangen des Mannes nach § 426 BGB kann die Frau in diesem Beispiel nicht eine sich aus einer Unterhaltsberechnung in einem Urteil, einem Beschluss oder einer Vereinbarung ergebende anderweitige Bestimmung entgegen halten, denn eine solche Berechnung gibt es nicht. Wie könnte man der Frau möglicherweise gleichwohl helfen? Ich meine, es gibt zwei Argumentationsansätze.
Der eine knüpft an die Idee der eingangs dargestellten stillschweigenden Nichtabrechnungsvereinbarung beim Zusammentreffen eines Anspruchs auf Gesamtschuldnerausgleich (Hauslasten) und eines Anspruchs auf Nutzungsvergütung an. Hier wie dort haben wir die Konstellation, dass ein Anspruch, der eigentlich aktiviert werden muss (Unterhaltsanspruch, Anspruch auf Nutzungsvergütung), mit einem Anspruch zusammentrifft, der grundsätzlich ohne Weiteres für die Vergangenheit geltend gemacht werden kann (Anspruch aus § 426 BGB). Auch in der vorliegenden Fallgestaltung kann man, so meine ich, sagen, dass die Eheleute durch ihr Verhalten – das beiderseitige Nichtinanspruchnehmen des anderen über einen längeren Zeitraum – zum Ausdruck gebracht haben, dass, bezogen auf Unterhalt und Gesamtschuld, keiner vom anderen etwas verlangen will. Allerdings ist diese Betrachtungsweise für die vorliegende Fallgestaltung, anders als beim Zusammentreffen von Gesamtschuld und Nutzungsvergütung, bisher weder vom BGH noch von der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt. Von den Gerichten wird vielmehr meist eine Korrespondenz zwischen den Ehegatten verlangt, aus der man den Willen, nicht abzurechnen, herleiten kann.
Der zweite mögliche Ansatz ist in einer Entscheidung des OLG Bremen dargestellt worden. Der Gedankengang ist folgender: Im obigen Beispiel gerät ein – angesichts des Einkommens des Mannes von 1.500 EUR – eigentlich bestehender Unterhaltsanspruch der Frau deshalb in Fortfall, weil der Mann die Gesamtschuld bedient und diese unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen ist. Die Frau beteiligt sich am Abtrag der Gesamtschuld auch hier bereits auf unterhaltsrechtlichem Wege. Deshalb kann man sagen: In einem solchen Fall ergibt sich die – einen gesonderten Gesamtschuldnerausgleich ausschließende – anderweitige Bestimmung aus der Natur der Sache, oder besser, wie es in einer Kommentierung der genannten Entscheidung formuliert worden ist, aus der unterhaltsrechtlichen Rechts...