Die dritte Frage, auf die ich eingehen will, ist die Frage: Wie kommt der Ehegatte, der die Ehewohnung verlassen hat, aus der Mithaftung im Außenverhältnis heraus? Durch den Auszug ist die Mithaftung nicht beendet und so kommt es immer wieder dazu, dass Ehegatten lange nach ihrem Auszug für inzwischen aufgelaufene Mietschulden in Anspruch genommen werden. So hat etwa vor dem LG Berlin ein Vermieter eine Ehefrau 13 Jahre nach Auszug und Scheidung erfolgreich auf offene Mietzinszahlungen in Anspruch genommen, nachdem der in der Wohnung verbliebene frühere Ehemann verstorben war. Es ist daher für Sie als Anwälte, wenn Sie den aus der gemeinsam gemieteten Wohnung ausgezogenen Ehegatten vertreten, wichtig, dafür zu sorgen, dass der Mandant oder die Mandantin aus der Haftung herauskommt. Wie erreicht man das?
Der naheliegendste Weg ist die Vereinbarung einer Entlassung aus dem Mietverhältnis. Dazu braucht man allerdings drei Personen: beide Ehegatten und den Vermieter. Häufig spielt der Vermieter nicht mit.
Gekündigt werden kann der gemeinsame Mietvertrag nur durch beide Ehegatten. An einer Kündigung ist der in der Wohnung verbliebene Ehegatte in der Regel nicht interessiert. So stellt sich die Frage, ob denn der ausgezogene gegen den verbliebenen Ehegatten einen Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung hat.
Diese Frage hat die Gerichte in den vergangenen Jahren immer wieder beschäftigt. Die Probleme beginnen schon bei der Suche nach einer Anspruchsgrundlage. Verschiedene Lösungsansätze werden diskutiert. Jedenfalls die Heranziehung des Gemeinschaftsrechts und hier die des § 749 Abs. 1 BGB (Anspruch auf jederzeitige Aufhebung der Gemeinschaft) erscheint möglich. Gehen wir also davon aus, dass es eine Anspruchsgrundlage gibt.
Nun sind einzelne Gerichte der Ansicht, dass es einen Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung bereits während des Getrenntlebens geben kann, nämlich dann, wenn die Ehe endgültig gescheitert ist, und nach einer Interessenabwägung, die berücksichtigt, dass der ausgezogene Ehegatte ein Interesse daran hat, aus der Haftung zu kommen, während der Verbliebene die Wohnung behalten will. Gegenüber einem Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung während der Trennungszeit habe ich allerdings größte Bedenken. Nach den familienrechtlichen, also den spezialgesetzlichen Wohnungszuweisungsvorschriften – § 1361b und § 1568a BGB – ist es den Familiengerichten untersagt, vor Rechtskraft der Scheidung in das Mietverhältnis einzugreifen. Und es kann nicht richtig sein, durch die Heranziehung von schuldrechtlichen Vorschriften dann doch einen Eingriff ins Mietverhältnis zu ermöglichen. Ein Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung schon während der Trennungszeit ist daher m.E. abzulehnen, von Ausnahmefällen abgesehen, zu denen ich gleich noch kommen werde.
Ernsthaft in Betracht kommen kann ein Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung m.E. – und das ist auch die überwiegende Meinung in der Rechtsprechung – erst ab Rechtskraft der Scheidung. Aber auch hier wird diese Möglichkeit verdrängt durch einen Weg, den die familienrechtlichen, also die spezialgesetzlichen und damit vorrangigen Vorschriften seit der Reform vom 1.9.2009 eröffnen: Der Weg ist durch § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB vorgegeben. Nach dieser Vorschrift setzt sich das bisher mit beiden Ehegatten bestehende Mietverhältnis mit einem Ehegatten allein fort, wenn die Eheleute bei Scheidung oder nach Scheidung dem Vermieter mitteilen, dass der eine Ehegatte ausgezogen ist. Mit Zugang der von beiden Eheleuten abzugebenden Erklärung beim Vermieter wird der in der Wohnung verbleibende Ehegatte alleiniger Mieter. Das ist der Weg, den die Ehegatten nach neuem Recht beschreiten können und beschreiten müssen, wollen sie die Enthaftung des ausgezogenen Ehegatten erreichen. Dieser Weg ist auch der bessere Weg als der über einen Anspruch auf Mitwirkung an der Kündigung, denn er wird den Interessen der Eheleute besser gerecht: Das Mietverhältnis wird, anders als bei einer Kündigung, nicht beendet. Der Verbleibende kann die Wohnung behalten und der andere Ehegatte kommt gleichwohl aus der Haftung heraus.
Nun wird es Fälle geben, in denen der im Haus Verbliebene nicht bereit ist, die Erklärung über den Auszug des anderen dem Vermieter gegenüber abzugeben. Was dann? Gerichtliche Entscheidungen dazu gibt es noch nicht, aber in der Literatur ist man sich einig, dass in diesem Fall der Ehegatte, der aus der Wohnung ausgezogen ist, gegenüber dem Verbliebenen einen Anspruch auf Abgabe der Mitteilung i.S.v. § 1568a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 BGB hat, dass er also verlangen kann, dass diese Mitteilung gegenüber dem Vermieter abgegeben wird. Anspruchsgrundlage dürfte § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB (Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen des anderen) sein. Der Anspruch wird gerichtlich – vor dem Familiengericht – durchgesetzt wie ein Anspruch auf Abgabe einer Willenserklärung. Mit Rechtskraft der Entscheidung gilt die Mitteilung als abgegeben. Dieser Anspru...