Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen tritt stets dann in den Vordergrund, wenn dieser geltend macht, den Mindestunterhalt gemäß § 1612a BGB nur eingeschränkt oder gar nicht leisten zu können. Im Blick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB stellt die Rechtsprechung besondere Anforderungen an die Erwerbsobliegenheit des Unterhaltspflichtigen und die Abzugsfähigkeit von das Einkommen mindernden Belastungen. Die Leistungsfähigkeit wird von den tatsächlichen Einkünften des Unterhaltspflichtigen, aber auch von Einkünften bestimmt, die er in zumutbarer Weise unter Ausschöpfung seiner Erwerbsfähigkeit erzielen könnte.
a) Berücksichtigung von Verbindlichkeiten
Führt der Abzug von Zahlungen für Verbindlichkeiten zur Leistungsunfähigkeit des unterhaltspflichtigen Elternteils, kann eine Obliegenheit zur Stellung eines Insolvenzantrages bestehen. Dies kommt im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht u.U. in Betracht, wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den laufenden Unterhalt der minderjährigen Kinder dadurch sicherzustellen, dass ihm der Vorrang vor sonstigen Verbindlichkeiten eingeräumt wird. Eine Ausnahme gilt dann, wenn Umstände vorliegen, die eine solche Obliegenheit im Einzelfall als unzumutbar darstellen. Das ist der Fall, wenn die Einleitung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des unterhaltspflichtigen Elternteils diesem mit hoher Wahrscheinlichkeit die Grundlage seiner Erwerbstätigkeit entziehen würde. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet werden. Ein Vermögensverfall wird dabei vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet wird. Unzumutbarkeit kann ferner daraus folgen, dass die Schulden in absehbarer Zeit getilgt sein werden.
b) Rechtsfolgen bei Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit
Es besteht grundsätzlich die Obliegenheit, in vollschichtigem Umfang erwerbstätig zu sein. Macht der Unterhaltspflichtige eine Ausnahme geltend, hat er die dafür maßgeblichen Gründe konkret darzutun und zu beweisen. So kann ein unterhaltsrechtlich vorwerfbarer Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit auch für den erwerbsfähigen, Leistungen nach dem SGB II beziehenden Unterhaltspflichtigen zur Zurechnung fiktiver Einkünfte führen. Der Bezug von Leistungen nach dem SGB II bedeutet nicht, dass der Bezieher erwerbsunfähig ist. § 8 Abs. 1 SGB II geht davon aus, dass der Leistungsempfänger in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die unterhaltsrechtlich gebotenen Erwerbsbemühungen sind daher auf die Erlangung einer entsprechenden Erwerbstätigkeit auszurichten. Gereichen unterbliebene oder unzureichende Bemühungen dem Unterhaltspflichtigen zum Vorwurf, können fiktive Einkünfte gleichwohl nur in einer Höhe fiktiv zugerechnet werden, die er unter Berücksichtigung seiner Lebens- und Erwerbsbiografie, seines Gesundheitszustandes und der Situation auf dem ihm eröffneten Arbeitsmarkt realistischer Weise erzielen könnte. Als realistisch erzielbar kann auch ein Einkommen angesehen werden, das der Unterhaltspflichtige in der Vergangenheit – wenn auch nur vorübergehend – tatsächlich erzielt hat.
c) Darlegungserfordernisse bei Bezug einer Rente wegen Erwerbsminderung
Der Bezug einer Rente wegen voll geminderter Erwerbsfähigkeit indiziert, dass der Bezieher zu einer voll- oder teilschichtigen Erwerbstätigkeit nicht in der Lage ist, jedoch nicht, dass darüber hinausgehend auch eine Tätigkeit im reduzierten Umfang von arbeitstäglich bis zu drei Stunden unmöglich ist. Auch der Verweis auf einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 70 % reicht zur Darlegung nicht aus. Entscheidend ist die substantiierte Darlegung zu Art und Umfang der gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Leiden und deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit.
d) Rechtsfolgen bei dauerhaft unzureichenden Erträgnissen aus einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
Erwirtschaftet ein selbstständig Erwerbstätiger über Jahre nur Verluste oder ist eine nachhaltige Sicherstellung des Unterhalts ansonsten ausgeschlossen, kann von ihm in sorgfältiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls die Aufgabe seiner Tätigkeit zugunsten der Aufnahme einer abhängigen Erwerbstätigkeit verlangt werden. Zuvor ist dem Unterhaltspflichtigen aber eine Karenzzeit zuzubilligen, die bis zu zwei Jahre betragen kann. Eine neugegründete Anwaltskanzlei wird häufig nicht bereits innerhalb von zwei Jahren hohe Erträge aufweisen. Der Aufbau eines Mandantenstammes gestaltet sich oft langwierig.
e) Hinnehmbarkeit des Wechsels von einer abhängigen zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
Die Aufgabe einer unselbstständi...