I. Unterhaltsrechtsverhältnis des minderjährigen Kindes zu dem regelmäßig allein barunterhaltspflichtigen Elternteil
1. Notwendigkeit einer konkreten Bedarfsbemessung
Trotz der in der Praxis überwiegend anzutreffenden beengten wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern – beim minderjährigen Kind des barunterhaltspflichtigen Elternteils gelangen auch Streitfragen in den Fokus, die Antworten darauf verlangen, inwieweit ein minderjähriges Kind an den wirtschaftlich guten Verhältnissen seiner Eltern über den Unterhalt teilhaben kann. Zunächst geht es um den Inhalt und Umfang der Darlegungslast des Kindes. Hierzu gilt, dass eine konkrete Bedarfsberechnung erforderlich wird, wenn die Einkünfte des barunterhaltspflichtigen Elternteils deutlich das der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zugrunde gelegte unterhaltsrechtlich relevante Einkommen übersteigen. Dazu sind besondere oder besonders kostenintensive Bedürfnisse und die zur Deckung notwendigen Mittel darzulegen. Übertriebene Anforderungen sind an die Darlegung indes nicht zu stellen. Unter dem beschränkenden Grundsatz, dass eine unbedingte Teilhabe am Luxus der Eltern nicht stattfindet, ist materiell rechtlich der angemessene Unterhalt zu bestimmen.
2. Unterhalt des minderjährigen Kindes im paritätischen Wechselmodell
Die unterhaltsrechtliche Praxis hat auf Veränderungen zu reagieren, die sich aus einem gewandelten Verständnis der Elternverantwortung für ihre minderjährigen Kinder eingestellt haben. Der Wunsch, Betreuung und Mitverantwortung auch nach Trennung und Scheidung wahrzunehmen, ist gestiegen. Auf die damit einhergehenden unterhaltsrechtlichen Folgen versucht die Praxis angemessene Antworten zu finden. Dabei geht es vornehmlich um eine ausgewogene finanzielle Belastung der Eltern mit den Folgen des jeweils praktizierten Betreuungsmodells. Besondere Probleme wirft das sog. paritätische Wechselmodell auf, in dem die Eltern verabredungsgemäß in gleicher Weise die Betreuung wahrnehmen wollen. Der Lebensbedarf des minderjährigen Kindes kann indes nicht nur durch die Betreuungsleistung sichergestellt werden, hinzukommen muss auch die Zurverfügungstellung der angemessenen Barmittel. Dazu hat der BGH folgende unterhaltsrechtliche Lösung aufgezeigt:
a) Unterhaltsbedarf
Der (Regel-)Bedarf eines Kindes, das von seinen Eltern in einem paritätischen Wechselmodell betreut wird, bemisst sich nach den beiderseitigen anrechenbaren Einkünften der Eltern, denn kein Elternteil ist von der Barunterhaltspflicht befreit.
Das einem Elternteil nach Lage des Falles zuzurechnende fiktive Einkommen bestimmt grundsätzlich auch den Bedarf des Kindes, denn auch die Erwerbsmöglichkeiten eines Elternteils gehören zur Lebensstellung der Eltern. Bei Zurechnung fiktiver Einkünfte zu Lasten eines Elternteils kann nach dem Rechtsgedanken des § 1607 Abs. 2 BGB eine Ausfallhaftung des leistungsfähigen Elternteils in Betracht kommen. Dessen bedarf es nicht, wenn der teils aus fiktiven Einkünften haftende Elternteil tatsächlich Naturalunterhalt gewährt und jedenfalls einen Unterhalt in Höhe seines Haftungsanteils an das Kind erbringt.
Zum sich aus den Einkünften der Eltern ergebenden (Regel-)Bedarf können notwendige Kosten hinzutreten, die als Kosten des Wechselmodells oder als allgemeiner Mehrbedarf des Kindes zu qualifizieren sein können. Kindergarten- und Hortkosten sind Mehrbedarf des Kindes. Dies gilt auch für Fahrtkosten für den Schul- und Kindergartentransfer, da es sich um mit dem Schul- bzw. Kindergartenbesuch verbundene Kosten handelt. Kosten für Musikschule und Tanzunterricht sind dem Regelbedarf nach § 6 Abs. 1 RBEG (Abteilung 9: Freizeit, Unterhaltung, Kultur) zuzuordnen; sie sind dem Grunde nach auch im Mindestunterhalt und in den Bedarfsbeträgen enthalten. Vom Regelbedarf nicht gedeckte Kosten können nach § 34 Abs. 7 SGB XII gesondert berücksichtigt werden; sie stellen dann auch gegenüber dem Mindestunterhalt unterhaltsrechtlichen Mehrbedarf dar. Bei der Bewertung ist einerseits dem Gesamtumfang der in Abteilung 9 enthaltenen Positionen und auch den mit den höheren Einkommensgruppen verbundenen Steigerungen Rechnung zu tragen.
b) Haftung der Eltern im paritätischen Wechselmodell
Beide Elternteile haften für den Bedarf des Kindes als Teilschuldner nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Die Haftungsanteile sind unter Vorwegabzug des sog. angemessenen Selbstbehalts zu bestimmen, unter Ansatz des sog. notwendigen Selbstbehalts nur bei Eingreifen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB. Der dem Kind von...