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Verfolgt man einen Zugewinnausgleichsanspruch, muss immer überlegt werden, ob sich ein Verbundantrag nicht geradezu kontraproduktiv auswirkt. Die großen Nachteile dieses Verfahrens werden in der Praxis nicht gegenüber den vermeintlichen Vorteilen abgewogen. Erhebliche Haftungsrisiken können entstehen, die oftmals nicht erkannt werden.
I. Einleitung
Als der Gesetzgeber Folgesachen in Familienverfahren einführte, lag dem folgendes Motiv zugrunde: Der Richter sollte einheitlich über die Scheidung und alle mit der Vermögensauseinandersetzung einhergehenden Ansprüche entscheiden können. Sofern er gleichzeitig z.B. auch über den Unterhalt befinde, sei die Wechselwirkung der einzelnen Ansprüche untereinander am besten zu beurteilen. Im gesetzlichen Güterstand entspricht es seither gängiger Praxis, den Zugewinn als Folgesache im Scheidungsverbund zu verfolgen. Dies ist indes ein gefährliches Unterfangen. In der überwiegenden Anzahl der Fälle, insbesondere bei erheblichen vermögensrechtlichen Ansprüchen gilt paradoxerweise im Zweifel nach wie vor die These "Zugewinn im Verbund – in der Regel ein Anwaltsregress!"
II. Zugewinn als Folgesache
Diese Feststellung soll anhand von zwei Beispielsfällen verdeutlicht werden.
1. Die Problemlage
a) Beispiel: Ausgangsfall
Die Eheleute Becker leben seit drei Jahren getrennt. Zwischen ihnen schwebt seit einem Jahr das Ehescheidungsverfahren mit einem Zugewinnausgleichsantrag von Frau Becker in Höhe von 500.000 EUR. Dies ist die einzige anhängige Folgesache.
Unterhaltsansprüche stehen Frau Becker nicht zu. Zum einen verfügt sie über hinreichende eigene Einkünfte; zum anderen lebt sie mit einem Partner seit der Trennung zusammen.
Das Verfahren wird sich voraussichtlich noch mindestens drei Jahre hinziehen. Umfangreiche Beweisaufnahmen zur Werthaltigkeit von Immobilien und eines Firmenanteils sind erforderlich.
Nach dem Vortrag von Herrn Becker schuldet er jedenfalls einen Betrag von 200.000 EUR.
b) Abwandlung
Frau Becker steht während des Getrenntlebens ein erheblicher Aufstockungsunterhalt zu. Aufgrund eines wirksam geschlossenen Ehevertrages käme ein nachehelicher Unterhaltsanspruch nicht zum Tragen. Eine Zugewinnausgleichsforderung ist im Übrigen fraglich.
Herr Becker behauptet unter Beweisantritt erhebliches Anfangsvermögen. Dieses ist zum Ende der Ehezeit – nicht vorwerfbar – wegen der zwischenzeitlichen Insolvenz der Firma, die eingebracht wurde, nicht mehr vorhanden.
c) Lösung des Ausgangsfalls
Dieser Beispielsfall macht das ganze Dilemma deutlich, in welches der Antragsteller gerät, wenn ein Folgeantrag ohne Abwägen der Chancen und Risiken gestellt wird. Einmal im Verbund bedeutet immer im Verbund. Die Chancen, eine Abtrennung gemäß § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG zu erreichen, hängen davon ab, ob der Richter im Rahmen des ihm eingeräumten freien Ermessens die gesetzlichen Voraussetzungen bejaht. Neben einer Zeitspanne von 2 bis 3 Jahren für das Verfahren muss eine Unzumutbarkeit bestehen. Gerade hieran wird es oftmals scheitern. Zudem besteht die Besonderheit, dass ein ablehnender Beschluss zur Abtrennung nach der Rechtsprechung des BGH nicht einmal rechtsmittelfähig ist.
Mit anderen Worten: Der Antragsteller hat sich in eine taktisch äußerst ungünstige Position begeben. Den zeitlichen Ablauf des Verfahrens kann er nicht mehr selbst bestimmen. Dies führt zu empfindlichen Nachteilen bei der Zinsberechnung. Die Zugewinnausgleichsforderung entsteht mit der Beendigung des Güterstandes, vgl. § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB. Im Beispielsfall ist dies die Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses. Bei einem Zinssatz von derzeit ca. 4 % (der Zinssatz lag auch schon einmal viel höher!) bedeutet dies im Beispielsfall für die Antragstellerin mindestens einen Zinsverlust in Höhe von 8.000 EUR pro Jahr, unterstellt man nur einmal den Vortrag der Gegenseite. Nach dem eigenen Vortrag beträgt der Zinsverlust sogar ca. 20.000 EUR jährlich.
Ein Antragsteller muss erhebliche Einbußen einkalkulieren, wenn er das Scheidungsverfahren alsbald beenden will, um überhaupt die Fälligkeit herbeizuführen. Durch eine zeitlich ungeschickte Antragstellung macht er sich zu einem Spielball der Gegenseite – und leider auch manchmal des Gerichts. Die gesamte Situation verschlimmert sich vor allen Dingen dann, wenn als Folgesache nicht – wie im Beispielsfall – eine Zahlung, vielmehr ein Stufenantrag mit einem vorherigen Auskunftsbegehren gestellt wird. Bedingt durch die Güterrechtsnovelle im Jahre 2009 haben gerade Auskunftsanträge eine besondere Bedeutung erlangt. Sie sind ein probates Mittel geworden, die Fälligkeit des Zugewinns auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Nunmehr gibt es ja Auskunftsansprüche zu drei Zeitpunkten: Anfangsvermöge...