Scheiwe/Wersig (Hrsg.), Schriften zum Familien- und Erbrecht, Bd. 3, 1. Aufl. 2010, 291 S., 59 EUR, Nomos Verlag, ISBN 978-3-8329-5392-8
Schnittstellen im Sozial-, Steuer- und Unterhaltsrecht
Ott/Schürmann/Werding (Hrsg.), 1. Aufl. 2012, 298 S., 69 EUR, Nomos Verlag, ISBN 978-3-8329-7425-1
Bei den beiden hier vorzustellenden Werken handelt es sich um zwei (Sammel-) Bände, die sich sehr intensiv mit aktuellen Problemen des Unterhaltsrechts auseinandersetzen und hierbei gewissermaßen "Grundlagenforschung" betreiben, was sie deshalb auch so interessant und lesenswert macht:
1.
Bei dem von Kirsten Scheiwe und Maria Wersig, Professorin bzw. wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Stiftung Universität Hildesheim, herausgegebenen Band handelt es sich um einen Sammelband, in dem unter dem plakativ-provozierenden Titel "einer zahlt und eine betreut" dem im deutschen Recht in § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB verorteten Dogma von der Gleichwertigkeit des Bar- und Betreuungsunterhalts ausführlich nachgegangen wird: In insgesamt 15 informativen Beiträgen nähern sich die Autoren, Rechts- und Sozialwissenschaftler, Rechtsanwälte und (Familien-) Richter der Thematik und versuchen, sie von allen Seiten auszuleuchten. Ausgangspunkt der beiden Herausgeberinnen ist dabei die Feststellung, dass das Kindesunterhaltsrecht Thema sowohl der rechtswissenschaftlichen als auch der sozialwissenschaftlichen Forschung ist: Im Vordergrund der Rechtswissenschaft steht dabei insbesondere die Diskussion über den Mindestunterhalt und das steuerliche Existenzminimum sowie die Problematik der Schnittstellen zwischen Unterhalts-, Steuer- und Sozialrecht. Dagegen kreisen die sozialwissenschaftlichen Debatten auf diesem Gebiet vor allem um Kindesarmut und die Einkommenssituation in Haushalten alleinerziehender Eltern. Obwohl die gleiche Grundthematik bearbeitet wird, gehen beide Wissenschaftszweige jedoch vielfach getrennt vor, ohne die Erkenntnisse der jeweils anderen Richtung einzubeziehen: Dieser vernachlässigten Thematik wollen sich die Herausgeberinnen annehmen, indem sie in vier Unterabschnitten der Frage nach der Gleichheit und Verschiedenheit elterlicher Unterhaltsbeiträge durch Bar-, Natural- und Betreuungsunterhalt für das Kind und ihrer rechtlichen Regelung im Familienrecht und den angrenzenden Bereichen des Sozial- und Steuerrechts nachgehen (Einleitung, S. 10):
Der erste Teil des Bandes ist der historischen Aufbereitung der Thematik gewidmet. In drei Beiträgen untersuchen Stephan Meder, Maria Wersig und Peter Derleder, auf welche Weise die Bereiche Hausarbeit, Kindererziehung und Barunterhalt Eingang in das Gesetz gefunden haben und welches Rollenverständnis hierbei maßgebend war. Dem Ziel, den Blick auf mögliche Alternativen zu lenken, dient die zweite Abteilung, in der Harry Willekens, Dieter Martiny und Carina Marten die Behandlung der Problematik in den Rechtssystemen des deutschen Rechtskreises – exemplifiziert am Beispiel Österreichs –, des romanischen Rechtskreises sowie der angloamerikanischen Rechtsordnungen (England, einzelne US-Bundesstaaten, australische Bundesstaaten) und der nordischen Rechtssysteme aufzeigen. Bemerkenswert ist, dass der aus dem deutschen Recht bekannte "Zweiklang" aus (Bar-) Unterhalt und Betreuung den romanischen Rechtsordnungen eher fremd ist; dort geht man vielmehr davon aus, dass beiden Eltern entsprechend ihren Möglichkeiten die Pflicht obliegt, ihre Kinder zu ernähren, zu unterhalten und aufzuziehen (Art. 203, 371-2 frz. Code civil). Dagegen werden in den vom englischen Rechtsdenken beeinflussten Rechtssystemen vermehrt mathematische Formeln verwandt, anhand derer versucht wird, einen Unterhaltszahlbetrag unter Berücksichtigung der jeweiligen Betreuungsanteile auszuweisen; eine Technik, die gegenüber "Wechselmodellen" jeglicher couleur auf den ersten Blick sehr offen zu sein scheint.
Der dritte Abschnitt ist der aktuellen Bestandsaufnahme aus deutscher Sicht vorbehalten und hierbei insbesondere der Frage, ob und inwieweit das hergebrachte, gesetzliche Instrumentarium der heutigen familiären Wirklichkeit, die durch verschiedene Formen von Wechselmodellen und einem hohen – und damit kostenintensiven – Grad an Fremdbetreuung gekennzeichnet ist, noch gerecht wird: Die entsprechenden Fakten und Möglichkeiten werden von Kirsten Scheiwe für die rechtswissenschaftliche Sichtweise und von Lore-Maria Peschel-Gutzeit sowie Heinrich Schürmann für die praktische Seite – die erste mehr auf die anwaltliche Sicht, der zweite mehr auf richterliche Optik fokusiert – hervorragend aufbereitet: Gerade anhand der Beiträge von Schürmann und Peschel-Gutzeit und ihrer mit Zahlen unterlegten Beispiele wird sehr schön nachvollziehbar, wo es in der alltäglichen, forensischen Praxis "zum Schwur" – sprich: zu Problemen – kommt. Stichwörter sind – neben dem Wechselmodell – beispielsweise Umgangskosten, Fremdbetreuungskosten, Kosten einer Internatsunterbringung sowie Geschwistertrennung. Marianne Br...