BRAO § 43b; UWG § 3 § 4 Nr. 11 § 5 Abs. 1
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt, der im Rechtsverkehr für sich mit der Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht" wirbt, verstößt gegen § 43b BRAO i.V.m. § 7 Abs. 2 BORA und handelt nach §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 1.3.2013 – 4 U 120/12 (LG Konstanz)
1 Tatbestand:
I. Die klagende Rechtsanwaltskammer möchte dem Beklagten verbieten, im geschäftlichen Verkehr und insbesondere auf dem Briefkopf der Kanzlei des Beklagten mit dem Begriff "Spezialist für Familienrecht" zu werben. Wegen des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es bestehe ein Unterlassungsanspruch nach den §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA. Bei der Bezeichnung "Spezialist für Familienrecht" handele es sich um irreführende Werbung, da die vom Beklagten nachgewiesene Qualifikation nicht der Verkehrserwartung an einen Spezialisten entspreche. Für eine entsprechende Bezeichnung müsse zumindest die Qualifikation eines Fachanwalts vorliegen. Gemessen an den Maßstäben der Fachanwaltsordnung habe der Beklagte die Voraussetzungen für die Bezeichnung als "Spezialist" nicht nachgewiesen. § 4 Abs. 1 FAO setze einen Lehrgang von 120 Stunden über alle relevanten Bereiche des Fachgebiets, § 2 FAO besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrung im jeweiligen Fachgebiet voraus. Zu entsprechenden Fähigkeiten und Erfahrungen fehle es schon an ausreichendem Vortrag des Beklagten. Die lange berufliche Tätigkeit und einzelne Fortbildungen seien nicht geeignet, besondere theoretische Kenntnisse nachzuweisen. Es bestehe kein Unterschied zu anderen Berufskollegen mit entsprechend langjähriger familienrechtlicher Erfahrung. Auf die praktischen Fähigkeiten des Beklagten komme es mangels Darlegung ausreichender theoretischer Kenntnisse nicht an.
Zudem folge ein Unterlassungsanspruch aus den §§ 4 Nr. 11 UWG, 7 Abs. 2 BORA wegen bei den Begriffen "Spezialist" und "Fachanwalt" bestehender Verwechslungsgefahr.
Mit der Berufung rügt der Beklagte, dass die landgerichtliche Entscheidung auf Rechtsfehlern beruhe. Es liege keine irreführende Werbung vor, da die Qualifikation des Beklagten der Verkehrserwartung an einen "Spezialisten" genüge. Entscheidende Kriterien seien weit den Durchschnitt der Rechtsanwälte übersteigende Erfahrung und Kenntnisse, welche auch die Voraussetzungen für den Erwerb des Fachanwalts bei Weitem übertreffen würden. Der Beklagte verfüge bei einer 30-jährigen Berufstätigkeit mit ca. 130 Fällen im Jahr aus dem familienrechtlichen Bereich über große praktische Erfahrung.
Daneben könne der Nachweis theoretischer Kenntnisse nicht zusätzlich verlangt werden. Bei der Bezeichnung als "Spezialist" handele es sich aus Sicht der betroffenen Verkehrskreise ganz offensichtlich um eine bloße Selbsteinschätzung. Im Übrigen folge schon aus der umfangreichen praktischen Tätigkeit ein entsprechendes, im Selbststudium erworbenes umfangreiches theoretisches Wissen. Für den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse fehle es an tauglichen Beweismitteln. Die Bezeichnung als "Spezialist" setze keine förmliche Prüfung voraus. Der Besuch von Lehrgängen und Seminaren sowie Publikationen im Fachgebiet seien kein taugliches Kriterium. Die Teilnahme an Lehrgängen könne auch nach dem olympischen Prinzip "dabei sein ist alles" erfolgen. Bei Publikationen sei, von Plagiatsproblemen ganz abgesehen, nicht gewährleistet, dass sie auch von dem als Autor Angegebenen stammen würden. Wenn aber für den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse keine tauglichen Beweismittel vorhanden seien, könne es auch nicht zu einer Irreführung der betroffenen Verkehrskreise kommen.
Die Anforderungen an einen Fachanwalt könnten jedenfalls nicht als Maßstab für die Qualifikation eines "Spezialisten" herangezogen werden. Das rechtsuchende Publikum kenne im Regelfall die Anforderungen an den Erwerb einer Fachanwaltschaft nicht. Das Landgericht habe sich mit den geringen Anforderungen an den Erwerb und das Führen einer Fachanwaltsbezeichnung nicht ausreichend befasst. Die Erwerbsvoraussetzungen würden nicht annähernd an die Voraussetzungen heranreichen, die einen "Spezialisten" ausmachen würden. Das Landgericht habe vor allem außer Acht gelassen, dass das Führen der Fachanwaltsbezeichnung nicht einmal eine weitergehende Tätigkeit in dem entsprechenden Bereich voraussetze, sondern dass nach § 15 FAO die Teilnahme an einer jährlichen Fortbildung von mindestens 10 Stunden ausreiche. Selbst wenn es aber auf den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse ankommen würde, habe der Beklagte diesen durch seine umfangreichen Fortbildungsnachweise und das dargelegte Selbststudium erbracht.
Auf eine Verwechslungsgefahr der Begriffe "Spezialist" und "Fachanwalt" könne der Unterlassungsanspruch ebenfalls nicht gestützt werden. Die Begriffe seien nicht ansatzweise verwechselbar, dies wäre allenfalls der Fall, wenn der Beklagt...