Christiane A. Lang
Das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern wurde am 16.4.2013 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl I, S. 795 ff.) und trat am 19.5.2013 in Kraft. Die Neuerungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge werden also ein Jahr alt. Ein Grund zum Gratulieren?
Was bisher geschah: Dem nicht verheirateten Vater war es neben der Begründung der gemeinsamen elterlichen Sorge durch Heirat oder Sorgeerklärung nicht weiter möglich, an der Sorge für sein Kind rechtlich teilzuhaben. Er war insoweit abhängig vom Willen der Mutter. Im Falle ihrer Weigerung zur gemeinsamen Sorgerechtsausübung stand ihm hiergegen keine Handhabe zu; die Ablehnung der Mutter konnte er keiner gerichtlichen Überprüfung zuführen. Genau dies monierte der EGMR als sachlich nicht gerechtfertigt, und das BVerfG folgte ihm, indem es die deutsche Gesetzesregelung als verfassungswidrig beanstandete (BVerfGE 107, 150). Die Folge kennen wir: Es kam das Reformgesetz.
Jetzt ist es möglich, dass die elterliche Sorge auf Antrag beider Elternteile durch gerichtliche Entscheidung übertragen wird. Dahinter steht u.a. die neue gesetzliche Vermutung, dass die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl generell nicht widerspreche. Hierin liegt eine ganz wesentliche Neuerung im Sorgerecht, und die Überzeugung des Gesetzgebers von der Sachrichtigkeit dieses Modells wird vom gewählten Wortlaut unterstrichen, mit dem er demonstrativ nicht weniger als das "neue Leitbild" der Sorgegemeinsamkeit verkündete (BT-Drucks 17/11048, S. 14).
Voraussetzung für die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung ist jedoch auch eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern. Es wird also ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen gefordert. Die einen sagen, ein solches Mindestmaß sei wohl nicht mehr anzunehmen, wenn eine direkte Kommunikation der Eltern über Belange des Kindes kaum noch möglich ist. Die anderen wollen die Eltern in die Pflicht nehmen und nicht aus ihrer Verantwortung dem Kind gegenüber entlassen, indem sie sie fast schon zu einer Einigung in Kindesangelegenheiten "zwingen". Sicherlich sollte bei Kommunikationsstörungen hinterfragt werden, worin diese begründet liegen und ob gegebenenfalls eine grundlose Verweigerungshaltung zur Kooperation eines Elternteils der Grund ist, der möglicherweise mit beratenden und unterstützenden Hilfemaßnahmen behoben werden kann. In jedem Falle aber steht wie stets das Kindeswohl im Mittelpunkt, d.h. maßgebend ist, ob tatsächlich ein Kommunikationsdefizit zwischen den Eltern vorliegt und, bejahendenfalls, wie es sich auf das Kind auswirkt. Das OLG Frankfurt hat in seinem Beschl. v. 20.1.2014 (1 UF 356/13) zur behutsamen Anwendung der Gesetzesvermutung in § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB gemahnt. Dem kann man sich sicherlich nur anschließen. Denn trotz der gesetzgeberisch gewünschten Sorgegemeinsamkeit nicht miteinander verheirateter Eltern liegt es doch auch an uns Familienanwältinnen und Familienanwälten, in unserer Beratungspraxis jeden Einzelfall zu prüfen und erst dann einen Antrag zu stellen, wenn mit dem unseren Rat suchenden Elternteil die Anforderungen und Folgen der gemeinsamen Sorgerechtsausübung besprochen sind und aufgezeigt wurde, dass mit dieser Antragsmöglichkeit keine "Schlammschlacht" begonnen, sondern vielmehr eine neue, produktive Basis für die zukünftige gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung geschaffen werden soll. Damit sollte sich auch verbieten, über einen Antrag auf gemeinsame Sorge zu versuchen, die jeweilige individuelle Familie in die allgemein gültige "Schablone" des "neuen Leitbildes" pressen zu wollen. Die gemeinsame Sorge muss schon auch noch die beste Lösung für das betroffene Kind sein.
In diesem Sinne: Gratulation zu einem wichtigen Schritt im Sorgerecht – aber zugleich: Behutsamkeit bei ihrer Durchsetzung!
Autor: Christiane A. Lang
Christiane A. Lang, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin
FF 5/2014, S. 177