Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Ausschuss Familienrecht zur Anfrage des Bundesministeriums der Justiz und Verbraucherschutz
Zusammenfassung
Nach Ansicht des DAV sollte zur Vermeidung der Gefahr einer ungewollten Doppelehe § 145 Abs. 1 FamFG dahingehend geändert werden, dass die Möglichkeit der Anschließung eines Rechtsmittels auf die weiteren Folgesachen beschränkt wird und die Möglichkeit der Anschließung in Bezug auf die Ehescheidung ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Problemumfeld
Gem. § 137 Abs. 1 FamFG ist über die Ehescheidung und Folgesachen zusammen zu verhandeln und zu entscheiden. Folgesachen sind die in § 137 Abs. 2 FamFG aufgeführten Angelegenheiten, wobei Versorgungsausgleichssachen amtswegig zu berücksichtigen sind (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG).
Wird ein Versorgungsträger (Beteiligter gem. § 219 Nr. 2 FamFG) im Verfahren beteiligt und ein bei ihm bestehendes Anrecht gestaltet, so erlangt er ein Beschwerderecht, wenn er materiell in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
Die Beschwerdefrist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses. Wird bei der Bekanntgabe des Beschlusses der so beteiligte Versorgungsträger irrtümlich übersehen, ihm der Beschluss somit nicht bekanntgegeben, kann dies dazu führen, dass irrtümlich von einer Rechtskraft der Entscheidung über die Ehescheidung ausgegangen wird. Bei späterer Einlegung einer zulässigen Beschwerde zieht diese nämlich gem. § 145 FamFG das Recht der Anschlussbeschwerde eines Ehepartners in Bezug auf die Ehescheidung nach sich. Ist zu diesem Zeitpunkt der andere Ehegatte bereits verheiratet, würde das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde die Gefahr einer bigamischen Ehe nach sich ziehen können.
Stellungnahme
1. Praktische Relevanz
Dem DAV ist keine statistische Erhebung darüber bekannt, in wie vielen Fällen es zu einer irrtümlichen Nichtbekanntgabe des Beschlusses und damit verbunden zur theoretischen Gefahr einer bigamischen Ehe gekommen ist, Nichtrepräsentative Umfragen bei einzelnen Gerichten haben jedoch die Erkenntnis darin gestärkt, dass Zustellungsfehler zwar durchaus selten bleiben, nicht jedoch ausgeschlossen werden können. Sie kommen in der Tat in der täglichen Praxis durchaus vor. Damit ist die Gefahr einer ungewollten Doppelehe dem Grunde nach durchaus gegeben und praktisch nicht als irrelevant zu bezeichnen.
2. Problemlösung
Zur Vermeidung der Gefahr einer ungewollten Doppelehe sollte § 145 Abs. 1 FamFG dahingehend geändert werden, dass die Möglichkeit der Anschließung eines Rechtsmittels auf die weiteren Folgesachen beschränkt wird und die Möglichkeit der Anschließung in Bezug auf die Ehescheidung ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Es erscheint gerechtfertigt, dem Ehegatten, der bereit war, alle Folgesachenentscheidungen zu akzeptieren, eine Anschlussrechtsmittelmöglichkeit zu geben, wenn der andere Ehegatte sein Rechtsmittel auf die Anfechtung einer von mehreren Folgesachen beschränkt. Ficht er die Ehescheidung selbst an, so stellt sich das eingangs dargestellte Problem nicht. Es stellt sich nur dann, wenn eine Folgesache als Teilentscheidung des Verbundes angefochten wird. Wird die Folgesache Zugewinnausgleich angefochten, so kann die wirtschaftliche Bedeutung für den anderen Ehegatten für die Folgesache Unterhalt oder die Folgesache des Versorgungsausgleichs haben. Diese Abhängigkeit in den wirtschaftlichen Auswirkungen der einzelnen Teilentscheidungen der Folgesachen muss sich verfahrensrechtlich in der Möglichkeit der Anschließung von Rechtsmitteln ausdrücken und insofern ausdrücklich erhalten bleiben. Dies ist hingegen nicht erforderlich für den Fall, dass keiner der Ehegatten gegen den Scheidungsausspruch Einwendungen erhebt.
Wendet sich ein Ehegatte gegen eine Folgesachenentscheidung, so gibt es keine Notwendigkeit dafür, dem anderen nunmehr – nach Fristablauf – die Anschlussmöglichkeit in Bezug auf die Ehescheidung selbst zu geben. Seinen Interessen ist ausreichend entsprochen, wenn er die Anschließung auf eine andere Folgesache ausdehnen kann. Dies gilt erst recht, wenn ein Versorgungsträger von seinem Beschwerderecht in zulässiger Weise Gebrauch macht. In diesen Fällen sind umstritten lediglich die Folgen einer Ehescheidung, nicht hingegen die Ehescheidung selbst. Sie wurde von den Ehegatten akzeptiert, was dadurch dokumentiert ist, dass ein Hauptrechtsmittel nicht eingelegt wurde. Diese Akzeptanz rechtfertigt es, die Ehescheidungsentscheidung aus dem Katalog der Anschlussrechtsmittelmöglichkeiten herauszunehmen.
Berlin, im März 2014, Stellungnahme Nr.: 16/2014 (auszugsweise)
FF 5/2014, S. 181 - 182