I. Einleitung
Das Familienrecht wird internationaler. In den letzten Jahren hat es gravierende Änderungen des EGBGB gegeben. Weitere Änderungen stehen wegen der fortschreitenden Internationalisierung an. Grund für den Eingriff in die bisherigen Regelungen des deutschen IPR sind EU-Verordnungen, wie die Verordnung Brüssel II a, Verordnung EG-Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung EG-Nr. 1347/2000, Rom III, Verordnung EU-Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechtes sowie die Unterhaltsverordnung, Verordnung EG-Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen und das Haager Unterhaltsprotokoll, Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007. Weitere Verordnungen stehen an, insbesondere ist davon auszugehen, dass es künftig eine Verordnung über die güterrechtlichen Verhältnisse geben wird.
Der Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen und Regelungen der Europäischen Gemeinschaft ergibt sich u.a. aus § 97 FamFG sowie Art. 3 EGBGB.
Erst dann, wenn keine vorrangig zu beachtenden völkerrechtlichen Vereinbarungen oder Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft vorliegen, gilt für die internationale und örtliche Zuständigkeit ausschließlich das FamFG.
Von ganz maßgeblicher Bedeutung sind die europäischen Rechtsakte. Sie stellen den "Verordnungswald" dar, den es zu durchwandern gilt.
Mit diesem Beitrag werden die klassischen Scheidungsfolgen im internationalen, insbesondere aber europäischen Kontext dargestellt, wobei ein besonderes Schwergewicht auf die europäische Rechtssetzung gelegt wird.
II. Die Ehescheidung
1. Die internationale und örtliche Zuständigkeit für die Durchführung von Ehescheidungsverfahren
a) Die internationale Zuständigkeit deutscher Familiengerichte bestimmt sich nach den §§ 97 ff. FamFG. Soweit keine vorrangigen internationalen Vereinbarungen oder Rechtssetzungen der Europäischen Gemeinschaft vorliegen, gilt für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit das, was in den §§ 97 ff. FamFG geregelt worden ist. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 122 FamFG.
b) Im europäischen Rechtsraum ist jedoch vor der Anwendung der §§ 98 ff. FamFG die Verordnung Brüssel II a (auch Europäische Eheverordnung) zu beachten (Verordnung EG Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung sowie zur Aufhebung der Verordnung EG Nr. 1347/2000).
Die Verordnung Brüssel II a löst die Verordnung Nr. 1347/2000 (sogenannte Eheverordnung) ab. Sie gilt gemäß Art. 60 im Verhältnis zwischen den Mitgliedsstaaten. Die in der Verordnung geregelten internationalen Zuständigkeiten sind ausschließlich. Die rügelose Einlassung führt daher nicht zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit.
Für die Bestimmung der örtlichen und internationalen Zuständigkeit ist auf die Vorschriften der Art. 3 ff. der Verordnung zurückzugreifen. Zuständig ist danach das Gericht des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet
▪ |
beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder |
▪ |
die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder |
▪ |
der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder |
▪ |
im Fall eines gemeinsamen Antrages einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder |
▪ |
der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat oder |
▪ |
der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, wenn er sich dort seit mindestens 6 Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedsstaats ist oder im Fall des Vereinigten Königreichs oder Irland dort sein "domicile" hat. |
Nach Art. 3b ist auch das Gericht zuständig, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, sofern dort eine Zuständigkeit nach dem Recht des Mitgliedsstaates verfahrensrechtlich gewährt wird. Das ist in Deutschland der Fall. Zuständig ist bei Auslandsdeutschen gemäß § 122 Ziffer 6 das Amtsgericht Schöneberg in Berlin.
Zur Verdeutlichung der örtlichen Zuständigkeit nach der Verordnung Brüssel II a wird auf die nachstehenden Beispielsfälle verwiesen:
1. Beispielsfall:
Ein mit einer Italienerin verheirateter Deutscher lebt in Italien. Das Ehesc...