GG Art. 2 Abs. 1 6 Abs. 1, 2 S. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1; BGB § 1591; FamFG § 108 Abs. 1 § 109 Abs. 1 Nr. 4
Leitsatz
1. Eine ausländische Gerichtsentscheidung, die die Feststellung der rechtlichen Verwandtschaft enthält, ist im Gegensatz zur bloßen Registrierung des Verwandtschaftsverhältnisses der Anerkennung zugänglich. (Rn 22)
2. Bei der Prüfung, ob die Entscheidung gegen den ordre public verstößt, sind auch die von der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Menschenrechte zu berücksichtigen. (Rn 40)
3. Allein aus dem Umstand, dass eine ausländische Entscheidung im Fall der Leihmutterschaft die rechtliche Elternschaft zu dem Kind den Wunscheltern zuweist, folgt jedenfalls dann kein Verstoß gegen den ordre public, wenn ein Wunschelternteil – im Unterschied zur Leihmutter – mit dem Kind genetisch verwandt ist. (Rn 34)
4. Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Elternstellung neben dem genetischen Vater auch dessen eingetragenem Lebenspartner zugewiesen wird. (Rn 43)
BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13 (KG Berlin, AG Schöneberg)
1 Gründe:
[1] A. Gegenstand des Verfahrens ist die Nachbeurkundung der Geburt des betroffenen Kindes, das in Kalifornien geboren wurde. Die Beteiligten zu 1 (geb. 1963) und zu 2 (geb. 1964) sind eingetragene Lebenspartner. Sie sind deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in Berlin. Die Beteiligte zu 3 ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport des Landes Berlin als Aufsichtsbehörde des Standesamts.
[2] Im August 2010 vereinbarten die beiden Lebenspartner in einem mit Frau J. (im Folgenden: Leihmutter) in Kalifornien abgeschlossenen Leihmutterschaftsvertrag, dass diese für sie Kinder austragen solle und die Lebenspartner die alleinigen gesetzlichen Eltern sein sollten. Die Kinder sollten mit Spermien des Beteiligten zu 1 und anonym gespendeten Eizellen gezeugt werden. Im September 2010 wurden auf diese Weise gezeugte Embryos in die Gebärmutter der Leihmutter eingebracht, und es wurde eine Zwillingsschwangerschaft bestätigt. Im Dezember 2010 erkannte der Beteiligte zu 1 mit Zustimmung der Leihmutter vor dem deutschen Generalkonsulat in San Francisco die Vaterschaft zu den erwarteten Zwillingen an. Zugleich gaben er und die Leihmutter Sorgeerklärungen ab.
[3] Am 6.4.2011 erging auf Antrag der Lebenspartner ein Urteil des Superior Court of the State of California, County of Placer (im Folgenden: Superior Court). Danach sind die Lebenspartner die Eltern der von der Leihmutter zwischen dem 16.9.2010 und dem 16.7.2011 zu gebärenden Kinder, nicht aber die Leihmutter.
[4] Nachdem es in der 30. Schwangerschaftswoche zu einem Spontanabort eines der Zwillinge gekommen war, wurde im Mai 2011 in Carmichael, Kalifornien, das betroffene Kind geboren. Das Kind wurde den Lebenspartnern übergeben, die mit ihm im Juni 2011 nach Berlin reisten, wo es seitdem gemeldet ist.
[5] Die Lebenspartner und das durch sie vertretene Kind haben vor dem Standesamt die Nachbeurkundung der Auslandsgeburt beantragt. Das Standesamt hat den Antrag abgelehnt. Der Antrag, das Standesamt zur Eintragung anzuweisen, ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Die Lebenspartner und das Kind haben die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit welcher sie ihren Antrag auf Beurkundung der Geburt des Kindes mit der Maßgabe, dass dieses gemeinschaftliches Kind der Lebenspartner ist, weiterverfolgen.
[6] B. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
[7] I. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts, dessen Entscheidung in StAZ 2013, 348 veröffentlicht ist, hat das Standesamt die Nachbeurkundung der Geburt zu Recht abgelehnt.
[8] Das Kind besitze zwar die deutsche Staatsangehörigkeit, weil der Beteiligte zu 1 als deutscher Staatsangehöriger sein Vater sei. Die diesbezügliche Vaterschaft sei durch das Urteil des Superior Court festgestellt worden. Das Urteil sei insoweit auch mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts nicht offensichtlich unvereinbar und demnach anzuerkennen. Nach den Angaben der Leihmutter sei diese bei der Geburt des Kindes nicht verheiratet gewesen. Eine Vaterschaft kraft Ehe komme deswegen nicht in Betracht. Mangels konkreter Verdachtsmomente für einen abweichenden Sachverhalt seien Nachweise insoweit nicht zu fordern.
[9] Dennoch sei die Eintragung zu Recht versagt worden, weil der Beteiligte zu 2 weder Vater noch Mutter des Kindes sei. Eine alleinige Eintragung des Beteiligten zu 1 sei als nur unvollständige Beurkundung abzulehnen.
[10] Das Urteil des Superior Court sei hinsichtlich der Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Beteiligten zu 2 und dem Kind nicht anzuerkennen. Denn die Anerkennung würde zu einem Ergebnis führen, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar sei. Der anerkennungsrechtliche ordre public-Vorbehalt sei zwar restriktiv auszulegen und auf Ausnahmesachlagen zu beschränken. Eine Anwendung komme nur in Betracht, wenn das Ergebnis der Anerkennung den Grundgedanken deutscher Regelungen und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen so sehr widerspreche, dass es nach in...