1. Ausgangspunkt
Wenn allerdings – wie häufig in Fällen von im Ausland vorgenommener medizinisch-assistierter Zeugung – eine gerichtliche Entscheidung nicht ergangen ist, sondern nur eine dem Recht am Geburtsort entsprechende Eintragung der Wunscheltern in eine Geburtsurkunde oder in ein Register erfolgte, ergibt sich im deutschen Recht auch in Zukunft eine etwas andere Fragestellung. In diesen Fällen kommt es nämlich mangels gerichtlicher Entscheidung nicht zu einer verfahrensmäßigen Anerkennung (nach §§ 108 ff. FamFG), vielmehr sind die abstammungsrechtlichen Fragen nach dem über das deutsche Kollisionsrecht (Art. 19 EGBGB) anwendbaren materiellen Recht zu beurteilen (sog. "materiell-rechtliche Anerkennung").
Ohne die kollisionsrechtliche Problematik im Einzelnen darstellen zu wollen, kann hier nur auf zwei besonders problematische Fragestellungen hingewiesen werden: Erstens: Welches ist der gewöhnliche Aufenthalt eines neugeborenen Kindes? Zweitens: Verstößt die Anwendung eines ausländischen Rechts, das ein Kind seinen (möglicherweise mit ihm nicht genetisch verwandten) Wunscheltern zuweist, gegen den deutschen kollisionsrechtlichen ordre public?
2. Der gewöhnliche Aufenthalt des Neugeborenen
Nimmt man mit der bisher vielfach vertretenen Meinung an, dass bei einem Neugeborenen auf die geplante künftige Entwicklung, also in der Regel die dauerhafte Verbringung nach Deutschland abzustellen ist, so kommt man, da bei deutschen Wunscheltern in der Regel auch die anderen Anknüpfungspunkte auf deutsches Recht weisen, zur Anwendbarkeit allein deutschen Abstammungsrechts. Dann ist – dies sei hier nur verkürzt dargestellt – außerhalb einer Adoption weder eine Zuordnung des Kindes zur Wunschmutter möglich (gleichgültig, ob diese mit dem Kind genetisch verwandt ist oder nicht) noch kommt eine Elternrolle für den gleichgeschlechtlichen registrierten Lebenspartner – sei er männlich, sei er weiblich – in Betracht. Unter bestimmten Voraussetzungen (unverheiratete Leihmutter und nach deutschem Recht wirksame Vaterschaftsanerkennung) kann lediglich ein männlicher Wunschelternteil (sei er Ehemann, sei er registrierter Lebenspartner) eine rechtliche Elternstellung nach deutschem Recht einnehmen.
Das Ergebnis wäre anders und sachnäher, wenn man davon ausgeht, dass ein neugeborenes Kind dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wo es während der Schwangerschaft weilte und geboren wird. Bei einer ausländischen Leihmutter und einem ausländischen Geburtsort kommt man dann zur Anwendung dieses ausländischen Rechts. Im Fall des der hier besprochenen BGH-Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts also zu kalifornischem Recht. Gleiches gilt (auch nach h.M.), wenn die Wunscheltern nicht zugleich mit dem Kind ausreisen (können!), sondern längere Zeit am Geburtsort verweilen.
3. Der ordre public des Art. 6 EGBGB
In diesem Fall stellt sich die zweite Frage, ob nämlich der Anwendung des ausländischen Rechts nach Art. 6 EGBGB der deutsche ordre public entgegensteht. Anders als bei der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung, der die deutschen Wertvorstellungen nur abgeschwächt entgegengesetzt werden können (s. oben), spielt die Einstellung des deutschen materiellen Rechts hier eine größere Rolle. Im Ergebnis dürfte dies aber dennoch keinen Unterschied machen, denn auch hier muss in jedem Fall das Kindeswohl den Ausschlag geben. Zusätzlich kann man auch den Familienschutz und das Elternrecht aus Art. 6 EGBGB je nach Fallgestaltung anführen. Wie bei der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung kann durch einen ordre public-Einwand der Schutzzweck der Verbote des deutschen Rechts nicht erreicht werden. Einem Kind dürfen nicht aus generalpräventiven Überlegungen die rechtlichen (und sozialen) Eltern genommen werden.