Ohne eine in einem rechtsstaatlichen Verfahren ergangene anerkennungsfähige ausländische Entscheidung und bei deutschem Abstammungsstatut ist es hingegen – wie soeben bereits dargelegt – in der Regel nur möglich, ein im Ausland im Zusammenhang mit einer Leihmutterschaftsvereinbarung geborenes Kind allenfalls dem anerkennenden deutschen Wunschvater und der gebärenden Frau zuzuordnen. Eine (volle) Elternposition des Ehegatten oder registrierten Lebenspartners kommt – außerhalb einer Adoption – nicht in Betracht. Wie kann in diesen Fällen dem Schutz des geborenen Kindes, seinem Recht auf eine rechtliche und soziale Familie und der Rechtsprechung des EuGHMR entsprochen werden?
Der EuGHMR lässt – wie oben dargelegt – dem Konventionsstaat jedenfalls zurzeit noch einen gewissen Ermessensspielraum in Fragen des Zugangs und der Wertung medizinisch assistierter Zeugung. Es geht ihm im Wesentlichen darum, dass das Kind nicht Opfer dieser Sanktionen wird, sondern faktisch und rechtlich eine Familie hat. Dabei unterscheidet er nicht zwischen verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Anerkennung eines im Ausland "erworbenen" Status, sondern konzentriert sich auf das Ergebnis der Rechtsanwendung. Dazu hat er bisher nicht stets eine automatische Zuordnung des Kindes zu den Wunscheltern gefordert. Er lässt es auch ausreichen, wenn diese Zuordnung über eine Adoption erfolgen kann. Dies ist im deutschen Recht möglich. Der EuGHMR wird also möglicherweise auch in nächster Zeit nicht in jedem Fall des "Reproduktionstourismus" bei Anwendung deutschen Abstammungsrechts eine Konventionswidrigkeit der deutschen Entscheidung annehmen. Wichtig ist aber, dass ein rechtlich abgesicherter Status des Kindes erreicht wird. Insofern wird es auch in Zukunft nicht ausreichen, auf die faktische Beteiligung des Wunschelternteils an der Pflege und Erziehung des Kindes hinzuweisen. Die Adoptionsmöglichkeit der Wunscheltern sollte auch nicht unter erhöhte Anforderungen gestellt werden. Insbesondere darf keine Sanktionierung einer elterlichen Umgehung von Reproduktionsverboten unter Nichtbeachtung von Kindeswohlerfordernissen erfolgen.
Dies alles sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine grundlegende Reform des deutschen Abstammungsrechts dringend erforderlich ist. Sie sollte kohärente und in sich widerspruchsfreie Regelungen enthalten und u.a. auch dem Recht des Kindes auf seine Herkunft hinreichend Rechnung tragen. Auch wenn dies im Hinblick auf die vielfältigen möglichen Konstellationen im "Abstammungsbereich" und die unterschiedlichen Wertevorstellungen ein schwieriger und unter Umständen langwieriger Abwägungsprozess sein wird, lohnt es sich, in diese Überlegungen einzutreten.
Autor: Prof. em. Dr. Dagmar Coester-Waltjen , LL.M. (Univ. of Michigan), Göttingen
FF 5/2015, S. 186 - 190