BGB § 1361 § 1614 Abs. 1 § 1579 Nr. 2, 7
Leitsatz
1. Bei der Bemessung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Die für das Maß des Unterhalts ausschlaggebenden ehelichen Lebensverhältnisse bestimmen sich dabei grundsätzlich nach den für den allgemeinen Lebensbedarf genutzten Einkünften.
2. Der für eine Korrektur unangemessener Vermögensbildung heranzuziehende Maßstab darf nicht dazu führen, dass der Boden der ehelichen Lebensverhältnisse verlassen wird und Vermögenseinkünfte als eheprägend zugrunde gelegt werden, die auch nach einem objektiven Maßstab nicht für die allgemeine Lebensführung verwendet worden wären.
3. Die unterhaltsberechtigte Ehefrau ist nicht verpflichtet, ihren Lebensstandard aufgrund des Zusammenlebens mit ihrem Lebensgefährten an ihre neue Lebenssituation anzupassen.
4. Steht der unterhaltsberechtigten Ehefrau ab der Scheidung aufgrund eines Ehevertrags ein Unterhaltsanspruch zu, der nicht um eigene Einkünfte zu reduzieren ist, so ist ihr nach Ablauf des Trennungsjahres bis zur wenige Monate später eintretenden Rechtskraft der Scheidung nicht zuzumuten, den Betrieb eines Kochstudios aufzugeben und sich um eine abhängige Beschäftigung zu bemühen.
5. Die nach einer Krise der Ehe vollzogene Trennung ist nicht als Ausbruch aus einer intakten Ehe anzusehen. Eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen des Zusammenlebens mit einem Lebensgefährten kommt gemäß § 1579 Nr. 2 BGB erst nach einem Verfestigungszeitraum von 2 bis 3 Jahren in Betracht. Bis dahin steht einem Ehegatten für die Zeit der Trennung der volle Unterhalt zu.
(Leitsätze der Red.)
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.3.2016 – 3 UF 141/14 (AG Wuppertal)
Sachverhalt
Anm. der Red.: Es handelt sich um die Nachfolgeentscheidung zu BGH, Beschl. v. 30.9.2015 – XII ZB 1/15, FF 2016, 161. Vgl. dazu Spangenberg, Kriterien einer wirksamen Vereinbarung über Trennungsunterhalt, FF 2016, 152.
2 Aus den Gründen:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist überwiegend unbegründet, die Anschlussbeschwerde der Antragsgegnerin teilweise begründet.
1. Nach Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof im Beschl. v. 30.9.2015 (XII ZB 1/15) hat der Senat den konkreten Bedarf der Antragstellerin zu ermitteln, um ausgehend davon prüfen zu können, ob in der Unterhaltsvereinbarung im notariellen Ehevertrag vom 4.1.2005, in der der Trennungsunterhalt auf indexierte 3.370 EUR beschränkt wurde, ein gem. § 1614 Abs. 1 BGB unwirksamer Verzicht auf Zahlung von Trennungsunterhalt zu sehen ist. Wie sich aus der nachfolgenden Übersicht des konkreten Bedarfs der Antragstellerin ergibt, weicht dieser erheblich von der vom BGH grundsätzlich noch als angemessen angesehenen Unterschreitung von bis zu 20 % ab. Da auch die Grenze von einem Drittel, ab der eine Unterschreitung in der Regel nicht mehr zulässig ist, deutlich überschritten ist, ist die Vereinbarung zum Trennungsunterhalt insgesamt unzulässig, so dass die Antragstellerin vom Antragsgegner ihren vollen gesetzlichen Trennungsunterhaltsanspruch gem. § 1361 BGB verlangen kann.
2. Bei der Bemessung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Entscheidend ist derjenige Lebensstandard, der nach den ehelichen Lebensverhältnissen vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters als angemessen erscheint. Eine nach den Verhältnissen zu dürftige Lebensführung bleibt ebenso außer Betracht wie ein übertriebener Aufwand.
Die für das Maß des Unterhalts ausschlaggebenden ehelichen Lebensverhältnisse bestimmen sich grundsätzlich nach den für den allgemeinen Lebensbedarf genutzten Einkünften. Um sowohl eine zu dürftige Lebensführung als auch einen übermäßigen Aufwand als Maßstab für die Ansprüche auf Trennungsunterhalt und nachehelichen Unterhalt auszuschließen, ist dabei ein objektiver Maßstab anzulegen. Der für eine Korrektur unangemessener Vermögensbildung heranzuziehende Maßstab darf allerdings nicht dazu führen, dass der Boden der ehelichen Lebensverhältnisse verlassen wird und Vermögenseinkünfte als eheprägend zugrunde gelegt werden, die auch nach einem objektiven Maßstab nicht für die allgemeine Lebensführung verwendet worden wären (vgl. BGH FamRZ 2007, 1532; OLG Düsseldorf FamRZ 2015, 1392).
3. Nach diesen Grundsätzen ist von folgender Berechnung des Bedarfs auszugehen:
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1/12-7/12 |
8/12-9/12 |
10/12-5/13 |
|
EUR |
EUR |
EUR |
Wohnkosten |
300,00 |
|
|
Krankenversicherung |
385,02 |
385,02 |
385,02 |
Selbstbeteiligung KV |
38,17 |
38,17 |
38,17 |
Rezeptfr. Medikamente |
50,00 |
50,00 |
50,00 |
Unfallversicherung |
19,08 |
19,08 |
19,08 |
Lebensversicherung |
27,00 |
27,00 |
27,00 |
Fonds Gerling |
300,00 |
300,00 |
300,00 |
Telefon |
100,00 |
100,00 |
100,00 |
TV, Zeitschriften usw. |
72,50 |
72,50 |
72,50 |
Textilreinigung |
70,00 |
70,00 |
70,00 |
Kleidung |
2.000,00 |
2.000,00 |
2.000,00 |
Frisör |
150,00 |
150,00 |
150,00 |
Kosmetik |
200,00 |
200,00 |
200,00 |
Lebensmittel |
500,00 |
500,00 |
500,00 |
Blumen |
50,00 |
50,00 |
50,00 |
Geschenke |
50,00 |
50,00 |
50,00 |
Medien (CD, Bücher) |
50,00 |
50,00 |
50,00 |
Hausrat |
100,00 |
100,00 |
100,00 |
Putzmittel, Bügeln usw. |
200,00 |
200,00 |
200,00 |
Restaurantbesuche |
500,00 |
500,00 |
500,00 |
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