BGB § 1361 Abs. 3 § 1579 Nr. 7
Leitsatz
1. Zur Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsberechtigten während der Trennungszeit.
2. Der Trennungsunterhaltsanspruch ist nach §§ 1361 Abs. 3 i.V.m, § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt, wenn der Unterhaltsberechtigte während des Trennungsunterhaltsverfahrens der unterhaltspflichtigen Ehefrau mit der Bloßstellung von Sexualkontakten gegenüber ihrer Familie droht.
(Leitsätze der Red.)
AG Wetzlar, Beschl. v. 18.10.2012 – 612 F 1168/11
1 Aus den Gründen:
I. Die Beteiligten streiten über Ansprüche auf Zahlung laufenden und rückständigen Trennungsunterhalts.
Die Beteiligten schlossen unter dem 23.10.2010 miteinander die Ehe. Kinder sind aus der Ehe nicht hervorgegangen. Seit dem 9.9.2011 leben die Beteiligten voneinander getrennt. Die Beteiligten sind türkischstämmig.
Während der Ehe ging der Antragsteller einer Teilzeitbeschäftigung als Hausmeister nach. Sein Einkommen beträgt monatlich 465 EUR. ( … )
Der Antragsteller ist der Ansicht, zur Aufnahme einer weitergehenden Erwerbstätigkeit vor Ablauf des Trennungsjahres, aber auch danach nicht verpflichtet zu sein.
Eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn habe er krankheitsbedingt abbrechen müssen. Auch habe er lediglich als ungelernter Schreiner gearbeitet. Bei ihm sei eine Herzneurose und eine generalisierte Angststörung mit Depressionen diagnostiziert worden. Er habe einen Grad der Behinderung von 70 % und sei daher nur eingeschränkt für drei Arbeitsstunden täglich erwerbsfähig. Diesbezüglich beruft er sich auf einen Bescheid des Hessischen Amts für Versorgung und Soziales in Gießen ( … ). Die gesundheitlichen Einschränkungen hätten bereits zu Beginn der Ehe bestanden und die Antragsgegnerin habe ihn mit dieser gesundheitlichen Hypothek geheiratet. Ihr seien die Einschränkungen bekannt gewesen, denn sie habe den Antragsteller zu allen Arztbesuchen begleitet. Der Antragsteller habe sich wiederholt fachärztlicher neurologisch-psychiatrischer Therapie und Diagnostik unterzogen. ( … )
Schließlich sei eine Ausweitung seiner Erwerbstätigkeit bei seinem jetzigen Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen nicht möglich. Zum Nachweis der diesbezüglichen Behauptung bezieht er sich auf die Einvernahme des Zeugen F. ( … )
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Antragsteller sei auf die Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu verweisen. Der Antragsteller verfüge über eine Ausbildung zum Schreiner und habe zudem eine Ausbildung bei der Deutschen Bahn abgeschlossen. Der Antragsteller könne daher ein Einkommen von monatlich 1.800 EUR erzielen. Der Antragsteller habe immer davon berichtet, beide Ausbildungen abgeschlossen zu haben. Von etwaigen gesundheitlichen Einschränkungen sei ihr nichts bekannt gewesen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, etwaige Unterhaltsansprüche des Antragstellers seien verwirkt. In diesem Zusammenhang beruft sie sich darauf, dass sie vom Antragsgegner SMS und Anrufe erhalten habe, in welchen er sie bedroht habe und in denen er angekündigt habe, Nackt- und Sexvideos an ihre Eltern zu versenden. ( … )
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Sachverständigengutachtens. ( … )
II. Der Antrag ist zulässig. (wird ausgeführt)
Der Antrag ist im zuerkannten Umfang begründet.
Dem Antragsteller steht gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Trennungsunterhalts für die Zeit vom 1.10.2011 bis 31.12.2011 i.H.v. 1.716 EUR und ab dem 1.1.2012 bis 30.9.2012 i.H.v. monatlich 488 EUR gem. § 1361 BGB zu.
Der Antragsteller ist im zuerkannten Umfang bedürftig, und die Antragsgegnerin ist entsprechend leistungsfähig. (wird ausgeführt)
Ab dem 1.4.2012 trifft den Antragsteller nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich eine weitergehende Erwerbsverpflichtung.
Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Erwerbsobliegenheit besteht, richtet sich nach den persönlichen Verhältnissen, insbesondere einer früheren Berufstätigkeit, den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eheleute und etwa nach der Dauer der Ehe. In der Regel besteht im ersten Jahr der Trennung keine Erwerbsobliegenheit, jedoch kann der Zeitpunkt der Erwerbsobliegenheit bei einer kurzen Ehedauer bereits eher einsetzen, etwa, wenn keine minderjährigen Kinder betreut werden (vgl. Gerhardt, 6. Kap., Rn 431 m.w.N.).
Das Gericht erachtet vorliegend eine Karenzphase von sechs Monaten als angemessen. Die Beteiligten lebten vorliegend nach der Heirat lediglich etwa 11 Monate zusammen. Der Antragsgegner betreut keine gemeinsamen minderjährigen Kinder, so dass vom Einsetzen der Erwerbsobliegenheit grundsätzlich im April 2012 auszugehen ist.
Indes ist dem Antragsteller ab April 2012 noch keine vollschichtige Erwerbstätigkeit zuzumuten.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaunahme steht zur ausreichenden Gewissheit des Gerichts fest, dass der Antragsteller krankheitsbedingt zur Aufnahme einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht imstande ist.
Das Gericht ist nach Einholung des Sachverständigengutachtens davon überzeugt, dass beim Antragsteller zwar keine generalisierte Angststörung, wohl...