Der Gesetzgeber hat im Jahr 1979 bereits erkannt, dass die "an Familien( … )gerichten tätigen Richter durch Aus- und Weiterbildung mit den Grundzügen der Pädagogik und Psychologie vertraut gemacht" werden sollten (vgl. BT-Drucks 8/2788, S. 42; BVerfGE 55, 171, 180). Voraussetzung für eine Tätigkeit am Familiengericht war daher zunächst eine dreijährige richterliche Erfahrung. Im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Wiedervereinigung wurde diese Hürde erheblich abgesenkt: Seitdem genügt eine einjährige richterliche Tätigkeit. In der Praxis wird eine Vielzahl von jungen RichterInnen unmittelbar nach Ablauf eines Jahres im Familiengericht eingesetzt. Erfahrungen als RichterIn haben sie sehr häufig überhaupt nicht, wenn sie ihre erste Verwendung in der Staatsanwaltschaft hatten. Grundkenntnisse des Familien-, insbesondere des Kindschaftsrechts und des einschlägigen Verfahrensrechts – geschweige denn der außerjuristischen Bezüge –, haben sie in der Regel nicht. Anders als in anderen Rechtsgebieten kann die Rechtsmittelinstanz hier einen etwaigen Fehler der Vorinstanz häufig nicht korrigieren, denn die Tatsachen, die für die am Kindeswohl zu orientierende Entscheidung im Einzelfall von Relevanz sind, verändern sich stetig und die zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen können nicht einfach wieder rückgängig gemacht werden. Ein "learning by doing" bzw. ein“training on the job“ bedeutet in Kindschaftssachen ein Degradieren von Kindern und Eltern zu Versuchspersonen eines "try and error". Auch aus diesem Grunde hat der Deutsche Bundestag die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, mit dem angemessene Eingangsvoraussetzungen für FamilienrichterInnen eingeführt werden (BT-Drucks 18/6985). Ein entsprechender Entwurf steht nach wie vor aus.
Es besteht eine Verantwortung des Gesetzgebers, auch an der maßgeblichen Stelle zur Qualitätssicherung beizutragen. § 22 Abs. 6 GVG stellt beispielsweise für eine Tätigkeit als RichterIn in Insolvenzsachen seit dem 1.1.2013 eine hohe Hürde auf. Überträgt man diese auf FamilienrichterInnen, sollte § 23b Abs. 3 GVG dringend reformiert werden und in etwa lauten:
Zitat
"Die Abteilungen für Familiensachen werden mit Familienrichtern besetzt. Ein Richter auf Probe darf in den ersten drei Jahren nach seiner Ernennung Geschäfte des Familienrichters nicht wahrnehmen, es sei denn, er hat in der Ausbildung ausgewiesene Kenntnisse im Familienrecht erworben. Richter in Familiensachen sollen über belegbare Kenntnisse auf dem Gebiet des Kindschaftsrechts sowie über Grundkenntnisse der für das familiengerichtliche Verfahren notwendigen Teile des Kinder- und Jugendhilferechts und der Psychologie, Pädagogik und sozialen Arbeit verfügen. Die Kenntnisse sind vor der Übertragung von Aufgaben als Familienrichter zu erwerben."