Verstärkt würden diese Unzuträglichkeiten noch, wenn einer im Schrifttum vertretenen Meinung zu folgen wäre, wonach die Partei im Zivilprozess nicht zu einer wahrheitsgemäßen Erklärung verpflichtet sein soll, wenn ihr diese zur Unehre gereichen oder die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit herbeiführen würde. Die dem zugrunde liegende Gleichstellung mit dem Beschuldigten im Strafverfahren verbietet sich, weil es dort nur um die Vermeidung eigener Nachteile, im Zivilprozess jedoch darum geht, die andere Partei an der Verwirklichung ihrer Rechte zu hindern. Daher darf ein Kläger, der zur Begründung seines Anspruchs ein strafbares Verhalten offenbaren müsste, seiner Klage selbstverständlich nicht durch wahrheitswidriges Schildern eines anderen Geschehensablaufs zum Erfolg verhelfen. Die entscheidende Frage geht jedoch dahin, ob er bewusst wahrheitswidrig den Vortrag des Gegners bestreiten darf, um sich (oder einen Angehörigen) vor Strafverfolgung zu schützen. Sie ist zu verneinen. In dem Bestreiten oder gar einer wahrheitswidrigen Sachdarstellung läge ein Prozessbetrug und damit eine erneute Straftat; dies kann das Verfahrensrecht nicht zulassen. Die Partei muss zwar ein strafbares oder unehrenhaftes Verhalten nicht ausdrücklich zugestehen, sie darf es aber auch nicht wahrheitswidrig bestreiten. Dass das Unterlassen einer Erklärung die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO auslöst, ist im Interesse des zivilen Rechtsschutzes von ihr hinzunehmen.
Der BGH hat dies jüngst auch für den Fall entschieden, dass die Partei nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken darf, sondern substanziiert zu bestreiten hat. Über den Internetanschluss der Beklagten war ein Musik-Video unerlaubt heruntergeladen worden. Die Beklagten bestritten, die Rechtsverletzung begangen zu haben. Sie machten geltend, ihre im Tatzeitpunkt bei ihnen wohnenden volljährigen drei Kinder hätten jeweils eigene Rechner besessen und über einen mit einem individuellen Passwort versehenen WLAN-Router Zugang zum Internetanschluss gehabt. Sie wüssten, von welchem Kind die Verletzungshandlung vorgenommen worden sei, wollten dies jedoch nicht mitteilen. Der BGH entschied, dass die Eltern zu dieser Mitteilung verpflichtet wären, und machte sie für die nachweislich von ihrem Anschluss aus begangene Urheberrechtsverletzung haftbar. Hier führte also ein wahrheitsgemäßes, aber nicht hinreichend substanziiertes Bestreiten zu nachteiligen prozessualen Konsequenzen.
Im FamFG-Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz liegt die Heranziehung des strafprozessualen Grundsatzes "nemo tenetur se ipsum accusare" näher. Soll z.B. im Verfahren auf Entziehung des Sorgerechts nach § 1666 BGB der Elternteil verpflichtet sein, eine Misshandlung des Kindes einzugestehen? Mit der h.M. ist dies zu verneinen. Der Beteiligte darf daher auf entsprechende Fragen schweigen; dies darf nicht als Geständnis gewertet, die fehlende Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung freilich nach entsprechendem Hinweis bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Ausdrückliches Leugnen und erst recht die unzutreffende Darstellung eines abweichenden Geschehensablaufs verletzen dagegen die Wahrheitspflicht nach § 27 Abs. 2 FamFG.
Im Geltungsbereich der Verhandlungsmaxime ist es der Partei unbenommen, einen von ihr für falsch gehaltenen Vortrag nicht zu bestreiten (z.B. um eine unerwünschte Beweisaufnahme zu vermeiden). Die primär dem Schutz der redlichen Partei dienende Wahrheitspflicht wird hierdurch nicht verletzt. Anders liegt es aber (wegen Eingreifens weiterer Schutzzwecke), wenn es sich um ein verabredetes Zusammenwirken zur Täuschung des Gerichts oder zum Nachteil eines Dritten handelt, sowie generell in Verfahren mit Untersuchungsgrundsatz: Dort schützt die Wahrheitspflicht die im Allgemeininteresse liegende Sachverhaltsaufklärung, sodass das Einvernehmen nichts an ihrer Verletzung ändert. In Unterhaltssachen gilt der Verhandlungsgrundsatz, sodass gerichtliche Anordnungen bezüglich unstreitiger Tatsachen ausscheiden.
Trägt eine Partei Tatsachen vor, deren Kenntnis sie auf unerlaubte Weise erlangt hat (z.B. durch heimliches Abhören), würde das wahrheitsgemäße Zugestehen ebenso wie das Nichtbestreiten der verbotenen Ermittlungshandlung zum Erfolg verhelfen. Das Verbot würde damit obsolet. Dennoch darf die unzulässig ausgespähte Partei nicht wahrheitswidrig bestreiten. Die Lösung ihres Dilemmas kann vielmehr nur darin bestehen, dass ihr gestattet wird, die Einlassung zu diesem Vorbringen zu verweigern. Es ist dann, dem Zweck des Verbots entsprechend, prozessual unverwertbar.
In gewissen Grenzen können die Parteien im Zivilprozess ein solches Verwertungsverbot auch durch Vereinbarung herbeiführen. Einer Verpflichtung zu bewusst unwahrem Sachvortrag oder zum Unterlassen des Vortrags realer Tatsachen ist zwar die Wirksamkeit abzusprechen, denn insofern ist § 138 Abs. 1 ...