"Fake News" und "alternative Fakten" haben im Zivilprozess nichts zu suchen. Nicht mit der Wahrheit übereinstimmender Parteivortrag missbraucht die Justiz zu unlauteren, eigennützigen Zwecken. Dies gilt für unwahre Behauptungen ebenso wie für wider besseres Wissen erklärtes Bestreiten, denn solches führt zu unnötigen Beweisaufnahmen, längerer Prozessdauer und unter Umständen dem wahren Sachverhalt widersprechenden Beweislastentscheidungen.
Die zivilprozessuale Verhandlungsmaxime liefert keine Rechtfertigung für unwahren Prozessvortrag, ebenso wenig das Risiko eines Ehrverlustes oder einer Strafverfolgung. Das Gerichtsverfahren darf nicht dazu missbraucht werden, aus anrüchigem oder gar rechtswidrigem Verhalten abgeleitete Ansprüche durchzusetzen. Der Beteiligte darf dazu allenfalls schweigen, hat dann aber die daraus folgenden prozessualen Nachteile in Kauf zu nehmen.
Da die Wahrheit wegen der begrenzten Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts oft unaufklärbar bleibt, sind wenigstens die vorhandenen Steuerungsmittel auszuschöpfen. Dazu gehört zumindest, dass das Gericht sich bei gegensätzlichem Parteivortrag durch persönliche Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO, § 33 FamFG), Fragen und nachdrückliche Vorhaltungen ein eigenes Bild von der Glaubhaftigkeit des jeweiligen Vorbringens verschafft; dieses kann eine entscheidende Rolle bei der Überzeugungsbildung spielen. Sofern die Voraussetzungen des § 448 ZPO erfüllt sind, ist von Amts wegen die förmliche Parteivernehmung anzuordnen. Weitere Handhaben bieten § 142 ZPO für Beiziehung von Urkunden sowie §§ 235 f. FamFG für Auskunftsanordnungen in Unterhaltssachen. Diese Maßnahmen stehen zwar im Ermessen des Gerichts; die pflichtgemäße Ausübung dieses Ermessens erfordert jedoch, dass das Gericht eine diesbezügliche Abwägung vornimmt und begründet. Hierauf kann durch entsprechende Anträge hingewirkt werden; zu Auskunftsanordnungen ist das Gericht dann nach §§ 235 Abs. 2, 236 Abs. 2 FamFG sogar verpflichtet, ebenso zu Urkundenvorlageanordnungen gegenüber Dritten (§ 428 Alt. 2 ZPO).
Rechtsanwälte sind sowohl nach dem Prozessrecht als auch nach dem Berufsrecht dafür verantwortlich, dass das Gerichtsverfahren nicht mit unwahrem Sachvortrag belastet wird. Sie dürfen fragwürdige Angaben des eigenen Mandanten nicht unbesehen übernehmen, sondern müssen deren Belastbarkeit unter Hinweis auf die straf- und haftungsrechtlichen Folgen unwahren Vortrags mit ihm erörtern. Entsprechendes gilt für das Bestreiten gegnerischen Vortrags. Dieses darf nicht pauschal oder "ins Blaue hinein" erfolgen, sondern muss die Behauptung, die der Anwalt nach Abklärung mit dem Mandanten als unzutreffend ansehen darf, konkret bezeichnen.
Von wesentlicher Bedeutung für die Vollständigkeit des Vorbringens und für die Substanziierung des Bestreitens ist die Verteilung der Darlegungslast. Besteht eine sekundäre Darlegungslast, reicht ein einfaches Bestreiten nicht aus, um ein Zugestehen der betreffenden Behauptung zu verhindern.
Auf manchen Gebieten kann sich die Partei auch durch materiell-rechtliche Auskunftsansprüche die zur Erfüllung ihrer Darlegungslast erforderlichen Informationen verschaffen (siehe z.B. § 1605 BGB, § 140c PatG, § 33g GWB).
Unwahrer Prozessvortrag kann Schadensersatzpflichten auslösen, auch für Vermögensnachteile durch Prozessverzögerung. Der aus einem Prozessverlust erwachsende Schaden kann allerdings gegen die betrügerische Partei – außer in den Fällen sittenwidriger Urteilserschleichung – erst nach Beseitigung der materiellen Rechtskraft durch ein Wiederaufnahmeverfahren geltend gemacht werden. Die Haftung des bewusst wahrheitswidrig vortragenden Rechtsanwalts ist hiervon jedoch unabhängig. Diesem drohen zudem berufsrechtliche Sanktionen.
Eine Missbrauchsgebühr kann bisher nur im sozial- und im verfassungsgerichtlichen Verfahren verhängt werden. Ihre generelle Einführung könnte auch in der Ziviljustiz zur Entlastung und Beschleunigung der Verfahren beitragen. Spürbare Kostenfolgen kann die Aufhebung der PKH- bzw. VKH-Bewilligung auslösen, zu der das Gericht nach neuem Recht grundsätzlich verpflichtet ist.
Ob die Gerichte von den ihnen eingeräumten Befugnissen zur Amtsaufklärung Gebrauch machen, steht zwar in ihrem Ermessen; es ist jedoch verfahrensfehlerhaft, wenn sie diese Möglichkeiten bei gegebenem Anlass ohne stichhaltige Begründung nicht nutzen.
Autor: Prof. Dr. Reinhard Greger , Universität Erlangen-Nürnberg, Richter am BGH a.D.
FF 5/2018, S. 184 - 192