a) Frühere Rechtsprechung
Auch beim Betreuungsunterhalt selbst (§ 1615l Abs. 2 S. 2 BGB) war noch sehr lange Zeit schadensersatzrechtliches Denken virulent. Das betraf das Maß des zu gewährenden Unterhalts, das sich prinzipiell nach der Lebensstellung der Mutter richten soll. Nach wiederholten Aussagen des BGH sollte es auf diejenige Lebensstellung ankommen, welche die Frau bis zur Geburt innehatte, folglich auf das von ihr bis zur Geburt nachhaltig erzielte Einkommen. Schadensersatzrechtlich ausgedrückt: Sie war so zu stellen, wie sie stünde, wenn das schadensstiftende Ereignis (Geburt!) nicht eingetreten wäre.
Das hat sich zum Beispiel bei der Frage ausgewirkt, wonach sich die Lebensstellung einer Mutter richtet, die von ein und demselben Mann noch ein zweites nichteheliches Kind hat. Dazu gab der BGH den Grundsatz aus, dass es beim Betreuungsunterhalt für das zweite Kind auf die Einkommensverhältnisse ankomme, die bei Geburt des ersten Kindes gegeben waren. Das erste Kind legte also das Niveau für die weiteren Kinder fest. Das erinnert noch stark an den gemeinrechtlichen Stuprationsanspruch: Beim ersten Mal ist das Entscheidende passiert, weitere Ereignisse gleicher Art können dem nichts Wesentliches mehr hinzufügen.
b) Neue Rechtsprechung: "wandelnde Lebensstellung"?
In der Frage, ob die Lebensstellung einer Mutter auf die Zeit der Geburt eingefroren wird, ist glücklicherweise Bewegung in die Judikatur gekommen, schon in der genannten Entscheidung von 2010 hat der BGH eine Tür offen gehalten: Der Betreuungsunterhalt aus Anlass der Betreuung und Erziehung eines weiteren Kindes könne – so sagt der Gerichtshof – "allenfalls dann" auf einen höheren Unterhaltsbedarf gerichtet sein, wenn der betreuende Elternteil zwischenzeitlich, z.B. durch ein nachhaltig gesichertes höheres Einkommen, eine höhere Lebensstellung erworben habe. Demzufolge kann die Mutter auch nach der Geburt des ersten Kindes durch berufliche Entfaltung ihre Lebensstellung noch erhöhen. Allgemein hat der BGH im Jahre 2015 befunden, dass die Lebensverhältnisse der Mutter nicht auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes festgeschrieben sind – es handelte sich um eine Studentin, deren Bedarf sich durch einen späteren Studienabschluss noch erhöhen konnte. Der BGH stellt nun auf dasjenige Einkommen der Mutter ab, das sie jetzt ohne die Geburt und die Betreuung des gemeinsamen Kindes hätte. Wie weit diese Vorstellung einer Wandelbarkeit der Lebensstellung noch trägt, bleibt abzuwarten. Ich sehe in der Änderung der Rechtsprechung eine begrüßenswerte Überwindung schadensersatzrechtlichen Denkens.